Das in dieser Kolumne behandelte Ereignis hätte auch das Zeug zum Reality-TV-Format. Thema: Hoftausch. Aber schön der Reihe nach.

Wie letztes Mal angekündigt, sitze ich nun in einem Café in Zürich und schreibe meine Kolumne, Luftveränderung und Ausgleich ahoi. Im Co-Working-Café angekommen, fühle ich mich anfänglich etwas wie ein Besucher im Zoo. Links von mir sitzen zwei Menschen, die ständig irgendwelche Videos irgendwo hochladen. «Mein Insta-Video über den Chur-Zürich-Vergleich hat bereits 120'000 Views!» «Krass, ja, diese Vergleich-Videos ziehen einfach.» Anstatt der Freiämter Frühlingsgülle hängt eine penetrante Duftwolke aus Parfum und Kaffee in der Luft, der Kellner duzt mich und preist das «Business-Menü» mit «isch im Fall rächt geil» an, und der servierte Kaffee ist zwar teuer, aber dafür sehr gut.

Alles in allem kein schlechter Ort, um über Hoftausch und Perspektivenwechsel zu schreiben. Und das ging so: Mitte Februar tauschte ich den Wohnort für eine Woche mit meinen Eltern. Sie gingen nach Unterlunkhofen, meine Freundin und ich stattdessen nach Werd. Mitgenommen haben wir nur einen Koffer mit dem Nötigsten. Das Ziel dieser Aktion: Herausfinden, wo wessen Zukunft liegt. Nichts leichter als das.

Zurück in der Kindheit?

Ein wenig befremdlich war das Ganze am Anfang schon. Ich war zurück im Haus meiner Kindheit, wo ich in den letzten 15 Jahren aber nur noch Gast war. Die Wohnung war vertraut und fremd zugleich, voller Erinnerungen, aber mit ordentlich Patina überzogen. Es war die Wohnung meiner Eltern, meiner Kindheit, aber halt längst nicht mehr meine Wohnung. Die Reise nach Werd war auch eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit.

Beiden Parteien – den Eltern und uns – fielen rasch einige Dinge auf, die wir verbesserungswürdig fanden. Arbeitsabläufe im Stall, die Einrichtung der Küche, die Beleuchtung der Stube, die Gestaltung des Gartens … Als wir uns diese Erkenntnisse beim abschliessenden Brunch mitteilten, aktivierte sich zunächst unwillkürlich mein Verteidigungsmechanismus. In den Mühlehof in Unterlunkhofen habe ich in den letzten Jahren viel Energie investiert und versucht, alles so anzupassen, dass es für mich stimmig ist. Der Verteidigungsmechanismus verstand Kritik an der Sache als Kritik an der Person, also an mir.

Lustig dabei ist: Noch vor Jahren spürte ich diese Abwehrhaltung kaum. Da war es offensichtlich noch weniger «mein» Hof, sondern mehr der meiner Vorgänger. Oder ich war einfach jünger und geistig flexibler. Ich spüre aber recht deutlich, dass die vergangenen Jahre Spuren hinterlassen haben.

Einige Wurzeln geschlagen

Ich habe, mehr als mir bewusst war, in Unterlunkhofen bereits einige Wurzeln geschlagen. Nicht, dass ich nicht mehr verpflanzt werden könnte – aber ganz so locker-flockig würde das nicht mehr vonstattengehen. Und eines scheint recht klar: Falls der Umzug käme, gäbe es einiges an Arbeit, um das Daheim meiner Kindheit zum Daheim von mir als Erwachsenem zu machen.

Und das Fazit? Das ist leider nicht ganz eindeutig. Im Zug nach Hause wünsche ich mir, der Entscheid könnte bald gefällt werden. Solange man nämlich nicht genau weiss, wohin die Reise geht, ist es auch schwierig, Vollgas zu geben.

 

Hagenbuchs Randnotizen

Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er führt einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.

Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.