Kurz & bündig
- Für die Bekämpfung von Cercospora stehen nur noch wenige wirksame Mittel zur Verfügung.
- Es braucht sowohl robustere Sorten wie auch einen optimalen Einsatz der noch zur Verfügung stehenden Fungizide.
- Das Prognosemodell unterstützt die Landwirte beim Fungizid-Einsatz.
- Informiert wird über die App «BetaSwiss».
Der Cercospora-Druck hat in den Zuckerrüben in den letzten 15 Jahren zugenommen. Das sagt Dr. Andreas Keiser von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL. Er nennt folgende Gründe: «Bei der Züchtung wurde die Cercospora-Resistenz lange Zeit zu wenig stark gewichtet, weil vor allem der bereinigte Zuckerertrag im Fokus stand. Zuletzt gab es für Cercospora einige klimatisch sehr günstige Jahre, die zu einem starken Befall führten. Auch hat die Wirkung der Fungizide, insbesondere der Azole, nachgelassen, weil sich der Pilz über die Jahre angepasst hat.»
Die Zulassung neuer Fungizide ist in naher Zukunft nicht realistisch. Zudem werden in den nächsten Jahren weitere Wirkstoffe aus der Gruppe der Azole verschwinden. Schon heute ist eine ausreichende Wirkung nur durch den Einsatz von Kupfer gewährleistet. Gefordert sind also zwei Dinge: Eine Züchtung, die robustere Sorten hervorbringen muss, und ein optimaler Einsatz der noch zur Verfügung stehenden Fungizide.
Ein Prognosemodell unterstützt den optimalen Fungizid-Einsatz
Um letzteres zu unterstützen, nutzt die HAFL in Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Zuckerrübenanbau das deutsche Prognosemodell Cercbet1. An der HAFL ist Sofia Caprez für das Modell zuständig. Sie sagt: «Wir haben das Modell schon in den letzten beiden Jahren angewendet und unter den schweizerischen Bedingungen geprüft. 2021 werden wir nun grossflächig starten. Wir werden im gesamten Rübenanbaugebiet für rund 50 Standorte den Termin für den Erstbefall berechnen. Kantonale Partner werden die Prognosen im Feld überprüfen. Damit können regionale Empfehlungen für die erste Fungizidbehandlung abgegeben werden.»
Was erhofft man sich von diesem Modell konkret? «Wir möchten erreichen, dass mit der ersten Behandlung erst dann begonnen wird, wenn wirklich Cercospora auftreten kann. Leider wird manchmal zu früh behandelt», sagt Sofia Caprez.
Zu früh spritzen ist unnütz und kann Resistenzen fördern
Das hat auch Luzi Schneider von der Fachstelle für Zuckerrübenanbau festgestellt. Er erklärt, weshalb es wichtig ist, nicht zu früh gegen Cercospora zu spritzen. «Die Fungizide wirken nur rund drei Wochen. Wenn also zu früh gespritzt wird, kann es sein, dass zum Zeitpunkt, wann effektiv ein Infektionsrisiko besteht, der Schutz der Fungizide bereits nachgelassen hat. So fördert man Resistenzen, welche den Rübenanbau künftig erschweren können.»
Eine zu frühe Spritzung habe noch einen weiteren Nachteil. «Bei einer zu frühen Spritzung ist es meistens vorprogrammiert, dass in Lagen mit hohem Befallsdruck bis zu vier und mehr Behandlungen nötig sind. Da wir nur noch drei schlagkräftige, gute Wirkstoffe zur Verfügung haben, muss somit ein Wirkstoff zweimal eingesetzt werden. Dies erhöht wiederum die Gefahr für resistente Cercospora-Pilze», erklärt Schneider. «Mit dem Modell können die Erstbehandlungen hinausgezögert und in der Folge ein bis zwei Behandlungen einspart werden», fasst Luzi Schneider seine Erfahrungen aus den beiden letzten Jahren zusammen.
Die App «Betaswiss» informiert über Erstbefall
Und wie gelangen wie die Prognose-Daten zu den Landwirten? Dazu Luzi Schneider: «Vor gut einem Jahr haben wir die App «Betaswiss» lanciert, um die Kommunikation zwischen der Zuckerbranche Fachstelle und Produzenten zu verbessern. Die App informiert die Produzenten über Push-Meldungen, wenn in ihrer Region ein Erstbefall festgestellt worden ist.» Eine Push-Meldung kann etwa lauten: «Im Osten wurden die ersten Blattflecken gefunden. Bitte kontrollieren Sie ihre Felder in den Hauptanbaugebieten Zürich, Thurgau und Schaffhausen.»
Somit könne man sehr schnell und präzise informieren. Bisher habe rund ein Drittel der Produzenten die App installiert, und die Rückmeldungen seien positiv, so Schneider. Die Informationen können auch auf der Website der Fachstelle abgerufen werden.
Vor der Erstspritzung die Felder kontrollieren
Wie kann nun ein Rübenproduzent genau entscheiden, wann bei ihm die Erstbehandlung angebracht ist? Luzi Schneider erklärt. «Nachdem der Landwirt via App die Meldung erhalten hat, dass in seiner Region ein Erstbefall aufgetreten oder eine Infektion möglich ist, muss er seine Felder kontrollieren. Idealerweise schaut man in der Nähe von letztjährigen Rübenmieten oder -parzellen, weil dort der Druck am grössten ist. Findet man dann auf Blättern erste in den Rüben Cercospora-Blattflecken, so ist im konventionellen Anbau die Erstspritzung angezeigt», erklärt Schneider. Punkto Mittelwahl empfiehlt er, bei der Erstbehandlung den Wirkstoff Epoxiconazol oder Prothioconazol in Kombination mit 1 bis 2 l Kupfer pro Hektare einzusetzen.
Für dieses Jahr rechnet Luzi Schneider mit einem im Vergleich zu den Vorjahren späteren Befallsbeginn mit Cercospora: «Die Monate April und Mai waren eher kühl, die Rüben sind entsprechend kleiner und der Reihenschluss verzögert sich. Das Mikroklima ist für Cercospora in der Regel erst nach dem bei Reihenschluss günstig.»
Pflanzenschutzmittel gezielt und agronomisch sinnvoll einsetzen
«Cercospora ist nicht die einzige Herausforderung, mit der Rübenproduzenten aktuell zu kämpfen haben. Die viröse Vergilbung oder SBR bereiten aktuell die grössten Schwierigkeiten. Hier braucht es dringend Lösungen, damit der Zuckerrübenanbau eine Zukunft hat», meint Keiser.
Besteht mit dem Cercospora-Prognosemodell die Gefahr, dass die Produzenten dieses als weitere Einschränkung im Anbau wahrnehmen und nicht akzeptieren? «Nein», ist Andreas Keiser überzeugt. «Heute sollte allen klar sein, dass wir Pflanzenschutzmittel gezielt und agronomisch sinnvoll einsetzen müssen. Ein zuverlässiges Prognosemodell ist diesbezüglich ein sehr gutes Hilfsmittel.»
Mit einem unsachgemässen Fungizid-Einsatz schade sich die Branche selbst, denn: «Dass die aktuellen Rübenfungizide teilweise an Wirksamkeit verloren haben, ist zum Teil auch einer unsachgemässen Anwendung geschuldet», stellt Keiser fest. Unsachgemäss, das heisst: Zu früh gespritzt und zu wenig zwischen den Wirkstoffen gewechselt und somit Resistenzen gefördert. Auch die Pflanzenschutzberater stünden hier in der Pflicht, sagt Andreas Keiser.
Die Züchtung neuer Sorten braucht seine Zeit
Um die Zuckerrübe als wichtige Kultur in der Schweiz zu erhalten, ist die ganze Branche stark gefordert. Das Prognosemodell für den Cercospora-Befall ist da ein Schritt in die richtige Richtung. «Es ist aber illusorisch zu sagen, dass man nun innert kurzer Zeit alle Probleme in den Griff bekommt», mahnt Andreas Keiser.
Insbesondere für die Züchtung neuer, guter Sorten brauche es Zeit, auch wenn die Züchtungsunternehmen heute mit Hochdruck daran arbeiten. Für nächstes Jahr ist Keiser zuversichtlich, dass neue, gegenüber Cercospora deutlich resistentere Sorten angebaut werden können, die mit weniger Behandlungen auskommen.
«Die Resistenz dieser Sorten beruht auf einer Kombination starker polygener Resistenzen und Majorgeneffekten. Damit die Resistenz dauerhaft genutzt werden kann und nicht durchbrochen wird, braucht es ein gutes Resistenzmanagement. Dazu gehören neben einer ausreichenden Sortenvielfalt auch ein minimaler Fungizidschutz», gibt Keiser zu bedenken. Ein gezielter Fungizid-Einsatz schützt also nicht nur den Blattapparat der Rübe, sondern auch deren genetische Resistenz.
Cercospora oder Pseudomonas?
[IMG 2]Die Cercospora-Blattflecken lassen sich nur schwer von den bakteriellen Blattflecken (Pseudomonas) unterscheiden. Beide mögen es feucht und warm. Pseudomonas tritt aber oft viel früher auf, ist grösser, Pergamentpapier ähnlich und weniger regelmässig in der Form. Zudem treten sie sehr oft an verletzten Blattstellen auf (zum Beispiel an Fahrgassen).
[IMG 3]Die Cercospora-Blattflecken sind rundlich, 2 bis 3 mm gross und durch eine violette Umrandung gekennzeichnet. Je nach Entwicklungsstadium sieht man sogar die Sporenträger in Form von dunklen Punkten.