Wer am Morgen ungern aufsteht und im Stall auf dem Weg zum Besen nicht den kurzen Weg nimmt, weil der Vater im Weg steht, braucht neben Energie auch Zeit: Das Beispiel zeigt, dass Konflikte nicht nur aufs Gemüt 
schlagen, sondern einem Betrieb auch wirtschaftlich schaden.

Die Hofübergabe wie aus dem Bilderbuch gibt es nicht

Benjamin Herzog, Landwirt und Berater am BBZN Schüpfheim LU, macht sich keine Illusionen: «Die Hofübergabe wie aus dem Bilderbuch gibt es nicht.»

Spätestens beim Moment der Übergabe müsse alles auf den Tisch, auch die schwierigen Themen. «Da tauchen manchmal kleine Sachen auf, die sich über die Zeit angesammelt haben.»

Und wenn diese Dinge nicht angesprochen werden, seien Probleme vorprogrammiert. Herzog erlebt ganz unterschiedliche Betriebsleiterfamilien. Bei den einen werden Veränderungen und Ideen schon beim ersten Gedanken angesprochen, etwa für neue Betriebszweige.

Andere schlucken lange – «und wir Männer sind in der Kommunikation häufig noch zurückhaltender als die Frauen», sagt Herzog. «Das ist was Kleines, wenn ich das anspreche, gibt es eine unangenehme Situation»: Das sei oft die Überlegung, wieso etwas nicht angesprochen werde. Als Folge wische die junge Partnerin den Hausplatz, obwohl das der Schwiegermutter völlig egal sei.

Schweigen bei der Hofübernahme braucht mit der Zeit zu viel Energie

Sich selber unter Druck setzen, sich in Erwartungshaltungen begeben– auch das seien Themen in Beratungsgesprächen. Wer nicht zusammen rede, brauche viel zu viel Energie.

Wann kommt denn Berater Herzog auf den Hof? Sicher bei der Hofübergabe, erklärt er. Aber auch, wenn ein klärendes Gespräch nötig sei und es einen neutralen Gesprächsleiter brauche. In solchen Situationen achtet Herzog darauf, dass auch die «ruhigen» Familienmitglieder zu Wort kommen.

Er führt die Gespräche meist auf dem Betrieb, abwechslungsweise bei den älteren und jüngeren Mitgliedern. «Sitzungszimmer bei uns am BBZN sind zwar neutraler Boden. Aber mir ist es lieber, wenn sich die Leute wohlfühlen.» Das sei auf dem Betrieb eher der Fall.

Klare Regeln bei der Hofübernahme für Wohnen,
 Arbeiten und die Zukunft

Bei den Übergaben sind es oft zwei Thematiken, bei denen der Berater eine Lösung präsentieren soll:

  • Wer wohnt wo und wie wird das Wohnverhältnis geregelt?
  • Hilft die ältere Generation weiter mit und wie sieht die Entlöhnung aus?

Der Zeitpunkt der Übergabe und das weiter Funktionieren sei oft schon klar, wenn er auf den Betrieb komme.
Wenn von ihm erwartet werde, fixfertige Zahlen zu liefern, etwa für den Lohn des Vaters: Dann winkt er ab. «Mir ist wichtig, gemeinsam einen Vorschlag zu erarbeiten. Dann wissen alle, wie die Zahlen zustande gekommen sind.»

Er sieht heutzutage auch kaum mehr Gründe, der abtretenden Generation ein Wohnrecht zu gewähren. Wohnen auf dem Betrieb könne für alle ein Gewinn sein. Klar müsse aber sein, wer wegziehe, wenn das Zusammenleben nicht klappe. In einem Mietvertrag könne alles geregelt werden.

Heikel sei das Thema der Finanzen der Eltern: «Früher hat man oft ein Wohnrecht gewährt, weil es den Eltern sonst finanziell nicht reichte.» 
Er sieht das etwas anders: Würden der jungen Generation jeden Monat durch fehlende Mieteinnahmen 500 Franken entgehen, fehlen Ende Jahr 6000 Franken.

Die Beratung muss bei der Hofübernahme Aufklärungsarbeit leisten

Damit könnten die Jungen Schulden abbezahlen, findet Herzog. Im Vordergrund stehen Tragbarkeit und das Weiterbestehen des Betriebs. Und er sieht sich und seine Berater-Kollegen in der Pflicht: «Ergänzungsleistungen sind ein rotes Tuch. In der Landwirtschaft will man im Alter nicht vom Staat abhängig sein.»

So nachvollziehbar diese Haltung sei – es brauche von Seiten Beratung Aufklärungsarbeit. Denn wer immer in die Versicherung einbezahlt habe, hätte auch ein Recht auf Leistungen und es sei auch der jungen Generation nicht geholfen, wenn die ältere darauf verzichte.

Bei der Mitarbeit pocht Herzog ebenfalls auf klare Kommunikation. Zuerst beim Paar: Die beiden müssen Fragen klären, vor denen jedes Paar steht. Wer macht die betrieblichen Arbeiten? Wie organisieren die beiden den Haushalt? Wollen wir bald eine Familie gründen?

In einer Kaffee-Runde Fragen 
rund um die Hofübernahme besprechen

Oft sei es auch heute noch so, dass die Frau auf den Hof ziehe: Zu diesem Zeitpunkt leben der Partner und die Eltern seit über 20 Jahren zusammen, das Zusammenleben und Zusammenarbeiten funktioniert. Nun kommt jemand von aussen dazu: «Das ist ein Konstrukt mit einem gewissen Konfliktpotenzial – nicht nur in der Landwirtschaft.»

Unter den Generationen gelte es dann das Zusammenleben zu organisieren – ganz faktisch in den Fragen von Wohnen und Lohn. Aber auch in den «weichen» Faktoren.

Herzog kennt Familien, die sich regelmässig zum Kaffee treffen und dabei diskutieren. Andere halten das für unsinnig. Er hält es für sinnvoll, auch die Regelungen zu Miete und Lohn einmal pro Jahr zusammen anzuschauen: «Vielleicht kann der Vater nicht mehr so intensiv mithelfen, wie es ursprünglich vereinbart war.» Da die Miete für die Wohnung aber gleich bleibt, wird plötzlich eine Miete geschuldet. Dies der älteren Generation mitzuteilen, ohne dass es falsch verstanden wird, ist oft nicht einfach. Herzog ist selbstkritisch: «Eigentlich sollten wir als Berater nach einer Übergabe häufiger nachfragen, wie es auf dem Betrieb läuft.»

Auf einem Betrieb sind Arbeit und Privatleben kaum getrennt. Herzog sieht in dieser Nähe viel Gutes: So könne eine Partnerin einen Betriebszweig aufbauen, wenn sie dazu Lust habe. Der Arbeitsweg sei kurz, meist könne die ganze Familie zusammen Zmittag essen.

Klappe es aber nicht, sei das sehr belastend. Und er sieht den Betriebsleiter oder die Betriebsleiterin in der Pflicht, auch die Versicherungsfragen zu regeln: «Jeder Landwirt ist Unternehmer. Dazu gehört, sich und seine Mitarbeitenden korrekt zu versichern und rechtlich abzusichern.»

Für Herzog fällt auch die soziale Absicherung der Bäuerin bzw. der Partnerin darunter, die auf dem Hof mitarbeitet. «Dieses Thema ist für mich heutzutage selbstverständlich. Hat ein Betriebsleiter die Versicherungsfragen nicht im Griff, ist es meist nicht das Einzige, was auf einem Hof nicht optimal läuft.»

Grössere Veränderungen bei der Hofübernahme brauchen Fingerspitzengefühl

Was rät er, wenn die junge Generation grössere Veränderungen anpacken will? «Ich habe ein Verständnis dafür, dass das für die ältere Generation nicht immer einfach ist.» Ziel sei stets, einen gesunden Betrieb zu übergeben.

Wollen die Jungen nun einen Betriebszweig aufgeben, könne das als Kritik verstanden werden. «Es braucht Fingerspitzengefühl der jungen Leute», sagt Herzog. Klug sei, eine Idee früh anzusprechen und auch von den Erfahrungen der Eltern zu profitieren.

Herzog wird aber ganz deutlich: «Am Ende entscheidet derjenige, der zahlt.» Und das sei nach einer Übergabe nun mal die junge Betriebsleiterfamilie. «Sie trägt aber auch die finanziellen Konsequenzen.» An ihnen sei es, Dynamik in den Betrieb zu bringen und diesen so zu organisieren, dass er längerfristig am Markt bestehen könne.

Zur Person

Benjamin Herzog (31) ist Landwirt EFZ und Agronom B.Sc. Agr. FH. Haupterwerblich arbeitet er als Landwirt und zu 40 Prozent am BBZN Schüpfheim als Lehrer und Berater im Bereich Betriebswirtschaft.

Das Zusammenleben organisieren

Das BBZN Schüpfheim organisiert jedes Jahr einen Tageskurs zum Thema «Zusammenleben junger Betriebsleiterpaare – Kommunikation, rechtliche Fragen und Versicherungen klären». Fünf bis zehn Paar erfahren in vier Blöcken, worüber sie sich Gedanken machen müssen: Versicherungen, Recht (von der Hofübergabe bis zur Patientenverfügung), Betriebswirtschaft und Kommunikation.

Das Angebot gibt es in dieser Form bis jetzt nur am BBZN Schüpfheim, unter Leitung von Benjamin Herzog.
Interessierte (auch andere Bildungszentren) können sich an ihn wenden:
benjamin.herzog@edulu.ch Tel. 041 485 88 14