Das Problem ist so alt, dass viele es vergessen haben. Seit bald 40 Jahren ist der Bauschadstoff PCB (polychlorierte Biphenyle) schweizweit verboten. Doch aus der Welt ist das krebserregende Material nicht. Bis heute ist PCB noch tonnenweise in Gebäuden verbaut.

Davon betroffen ist auch die Landwirtschaft. 2018 machte die Zeitschrift «Beobachter» einen Fall in Graubünden publik. An der Stallwand eines Mutterkuhbetriebs klebte seit Jahrzehnten eine abwaschbare Farbe, die hohe 16 Prozent PCB enthielt.

Die Kühe frassen die Splitter der blätternden PCB-haltigen Farbe. Dabei reicherte sich das Gift in der Milch an und kontaminierte so die Kälber. Die PCB-Menge im Kalbfleisch überschritt den Grenzwert um fast das Fünffache.

Eine monatelange Verkaufssperre folgte. Der Betrieb überlebte nur dank der finanziellen Unterstützung des Kantons Graubünden. Allein die Sanierung des Laufstalls kostete laut Kanton 175'000 Franken.

Das alles war vor zehn Jahren. Damals hielt das Bundesamt für Gesundheit in einem Bericht fest: «Es ist nicht auszuschliessen, dass ähnliche Farben auch an anderen Stellen als lokale Kontaminationsquellen vorhanden sind.» Diese Einschätzung bestätigte kürzlich die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) in einem Bericht. Schweizweit seien noch rund 86 Tonnen PCB in Farben im Umlauf.

Kein einziges Gesuch für Unterstützung der Stallsanierung

Doch es harzt beim Aufspüren von PCB-verseuchten Ställen. Zwar unterstützen Bund und Kantone seit Anfang 2023 eine Sanierung finanziell und übernehmen für die nächsten vier Jahre 75 Prozent der Kosten. Doch bis heute wurde laut dem Bundesamt für Landwirtschaft kein einziges Gesuch gestellt.

Thomas Jäggi vom Schweizer Bauernverband kritisiert die Höhe der Subventionen: «Wenn die Sanierungskosten 10'000 Franken übersteigen, reicht diese Unterstützung nicht.» Damit künftig weniger PCB auf den Tellern lande, brauche es mehr Anstrengungen von Bund und Kantonen, beispielsweise ein unbefristetes Subventionsprogramm für solche PCB-Sanierungen.

Verantwortlich für gesunde Lebensmittel sind die Produzentinnen und Produzenten. Um sie zu unterstützen, führten die beiden Kantone Luzern und Schaffhausen diesen Sommer eine freiwillige Messkampagne durch. Luzerner Landwirte zahlten für die Kontrolle nur 300 Franken, im Kanton Schaffhausen war sie gratis. Doch nur 16 Luzerner Betriebe meldeten sich an. Budgetiert hatte der Kanton für 50 bis 70 Höfe. Im Kanton Schaffhausen waren es gerade einmal zwei Höfe. Bei insgesamt sechs Betrieben der beiden Kantone liegen inzwischen die Ergebnisse vor. Nirgends wurde PCB gefunden.

Bis anhin kaum Kontrollen, nun schaut der Bund genauer hin

Schauen die Bauern und Bäuerinnen weg? Nein, sagt Thomas Jäggi vom Schweizer Bauernverband. Die Betriebe seien sich nicht bewusst, was vor 40 Jahren verbaut worden sei: «Zudem sind die Landwirte ständig mit allen möglichen Anfragen und Kontrollen konfrontiert, sodass dieses Problem nicht auch noch Aufmerksamkeit erhält.»

Kontrollen mussten die Betriebe bisher nicht fürchten. Im Rahmen des nationalen Fremdstoffuntersuchungsprogramms wurden im Jahr 2023 unter anderem 98 Rinder-, 4 Eier- und 17 Milchproben untersucht. Bei einem Rind wurde der PCB-Grenzwert um knapp das Doppelte überschritten. 2024 schaut der Bund genauer hin. Aufgrund neuer EU-Vorschriften will der Bund dieses Jahr 203 Rinderproben nehmen.

Stefanie Hablützel ist freie Journalistin. Sie berichtet seit 2018 für den «Beobachter» über PCB.

 

Was tun bei einem verdächtigen Stall?

PCB-haltige Baumaterialien schlummern in Gebäuden bis Jahrgang 1980. Betroffen sein können Silowände, Futterkrippen, Stallwände, Tür- und Fensterrahmen sowie Betonanstriche. Auch Fugendichtungen und elektrische Kabel können PCB enthalten. Besonders heikel wird es, wenn Tiere direkten Kontakt haben.

Gebäude überprüfen lassen

Zurzeit laufen keine kantonalen PCB-Kampagnen. Betriebe können direkt ein Unternehmen beauftragen. Der Bund führt eine Liste mit spezialisierten Firmen für PCB-Kontrollen.

Firmenliste

Untersuchungspflicht bei Abriss
Wer ein Gebäude abreissen oder umbauen will, muss abklären, ob giftige Stoffe wie PCB, Asbest oder Blei vorhanden sind. Laut Gesetz gilt die Untersuchungspflicht für alle Gebäude, die vor 1990 erbaut wurden. Verschiedene Firmen bieten einen Gebäudecheck an. Falls giftige Stoffe auftauchen, braucht es für das Bau- oder Abrissgesuch ein Entsorgungskonzept.
Sonstige Kontrollen des Gebäudes sind freiwillig. Das Lebensmittelgesetz hält einzig fest, dass die Produzenten und Produzentinnen für gesunde Lebensmittel zuständig sind.

PCB-Sanierung finanzieren
Die Kosten variieren. Wenn PCB-haltige Farben entdeckt werden, kann eine Sanierung laut «Beobachter» manchmal 100'000 Franken kosten.
Bis Ende 2026 berappen Bund und Kantone 75 Prozent der Kosten einer PCB-Sanierung von landwirtschaftlichen Ökonomiegebäuden inklusive Beprobung und Entsorgung. Von 2027 bis 2029 reduziert sich der Betrag auf 50 Prozent. Danach entfällt er vollständig.

Merkblatt zur Finanzierung


Wieso ist PCB gefährlich?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft PCB als krebserregend ein, weil es den Hormonhaushalt beeinflusst. Es schädigt auch das Immunsystem.
Wenn Tiere PCB aufnehmen, verbindet sich der Stoff mit dem Fett. Fleisch, Milch und Eier stehen deshalb im Fokus. Massnahmen sind dringend notwendig.
Denn: Die Schweizer Bevölkerung nimmt über tierische Nahrungsmittel sechsmal so viel PCB auf, wie die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit als tolerierbar einstuft.