Wer heute noch auf Milchproduktion setzt, baut in den meisten Fällen bei einem Neubau einen Melkroboter ein. «Ich schätze, dass in acht von zehn Neubauten ein Roboter melkt», sagt Andreas Niederhäuser, der Leiter des Melkforums, das am Inforama Rütti in Zollikofen seine Räumlichkeiten hat.
Wer aber – wie Familie Schmutz – bewusst auf einen Roboter verzichtet oder vor einem Umbau steht, hat einiges zu überlegen. Niederhäuser rät, zusammen mit dem Architekten die Abläufe durchzudenken.
Der Melkforum-Leiter plädiert dafür, bei einem Neubau vorhandene Überkapazitäten bei Melkplätzen von Anfang an komplett einzurichten: «Das spart Arbeitszeit für die tägliche Arbeit. Nachträglich Nachrüsten ist aufwendiger und teurer», sagt er aus Erfahrung.
Drei Punkte betont er, wenn es um einen Neu- oder Umbau geht: Ergonomie, Licht und Luft.
Schweres Melkzeug belastet die Arme jeden Tag
Ergonomie – also die Anpassung der Arbeitsbedingungen an die physischen und psychischen Grenzen des Menschen – ist beim Melken eine Herausforderung. Denn die Bewegungen sind eintönig, das Melkzeug ist schwer. Die Belastung kann zu schmerzhaften Sehnenscheidenentzündungen führen. Auskurieren braucht viel Geduld und eigentlich Schonung: Schwierig, wenn die belastende Arbeit täglich zwei Mal zwingend auszuführen ist …
Für Karussell-, Tandem- und für 30-Grad-Fischgräten-Melkstände gibt es Schwenkarme, die das Melkzeug zur Kuh bringen. «Das ist eine gute Sache – aber teuer und nicht für alle Systeme möglich», sagt Niederhäuser.
Entlastung bringt eine Gewichtsreduktion: Werden beim Melkzeug die Becherhülsen aus Edelstahl durch solche aus Kunststoff ersetzten, ergibt das eine Gewichtsreduktion von rund 1100 Gramm. Das macht bei sechs Melkzeug auf 40 Kühe insgesamt über 30 Tonnen Gewichtsreduktion pro Jahr. «Dafür braucht es beim Melken ein höheres Vakuum», gibt Niederhäuser zu bedenken.
Bei einer Rohrmelkanlage bringt neben leichteren Melkzeugen ein zusätzliches Tragrohr für den Pulsator eine Verbesserung der Melkzeugpositionierung für die tägliche Arbeit.
Ebenfalls zu berücksichtigen bei der Alltagsarbeit: Die Milch kranker oder behandelter Tiere, die in den Kessel gemolken wird. Diese Kessel müssen oft hochgehoben und zur Weiterverarbeitung der Milch im Milchzimmer getragen werden. Niederhäuser sagt, dass es ideal sei, wenn der Melker oder die Melkerin den schweren Kessel nicht tragen müsste, sondern wegfahren könnte.
Melken verschiedene Personen, findet Andreas Niederhäuser einen höhenverstellbaren Hubboden sehr sinnvoll, wie ihn Familie Schmutz hat: Zum Beispiel auch bei Lehr-betrieben mit unterschiedlich grossen MelkerInnen. Da ein Melkstand oft 20 Jahre oder länger in Betrieb sei, lohne sich die Investition. Zu beachten sei die regelmässige, intensive Reinigung der Plastikelemente und des Unterbodens: Sonst könne es Probleme mit dem Geruch und mit Fliegendruck geben.
Das Tierwohl bei der Planung einbeziehen
In Sachen Ergonomie gibt Niederhäuser auch die Homogenität der Herde zu bedenken. «Das ist Sache der Betriebsleiter, nicht der Planung.» Der Melkstand müsse so eingestellt sein, dass es den Tieren wohl sei. Die Einstellung der Gerüstteile richte sich nach dem grössten Tier: Die kleinere Kuh ist dann weiter weg, das verschlechtere die Zugänglichkeit beim Anhängen des Melkzeuges.
In Sachen Wohlbefinden der Tiere wird Niederhäuser deutlich: «Es ist elementar, dass sich die Tiere im Melkstand wohl fühlen.» Damit die Kühe gern in den Melkstand gehen, müsse der Raum deshalb hell und freundlich sein. «Es darf weder Lärm noch Vibrationen geben», so Niederhäuser. Möglichst gerade und direkte Zugänge. Was den Boden betrifft: Dieser muss rau, abwaschbar und rutschfest sein.
Niederhäuser bringt einen Vergleich: «Wer weiss, dass es auf der Skipiste kurz vor dem Lift eine vereiste Stelle hat, wird immer vorsichtig bis ängstlich darauf zufahren.» Genauso ergehe es der Kuh: Rutscht sie einmal beim Melken, macht sie das unsicher.
Genug Licht im Melkstand ist gut für Mensch und Tier
Andreas Niederhäuser sagt, dass eine Kuh ein helles Umfeld schätzt. Das gilt auch, wenn ein Melkroboter im Einsatz ist: Dieser muss so platziert sein, dass er möglichst auch für Tiere im Liegebereich gut sichtbar ist.
Niederhäuser ist klar, dass dies bei Umbauten in gewissen Ställen nur beschränkt möglich sei. Doch es animiere die Tiere, zum Melken zu gehen, wenn sie den Roboter sehen und das Geräusch der Futterschale hören. Ist der Roboter gut sichtbar, kann auch eine rangniedere Kuh dann hingehen, wenn sie sich sicher fühlt und keine ranghöhere Kuh beim Roboter steht.
Im Melkstand ist für den Melker oder die Melkerin genügend Licht wichtig. «Das Euter muss gut sichtbar sein», betont er, das vereinfache Kontrolle und Behandlung. Licht von unten helfe, da der Mensch oft Schatten in den Melkstand werfe. Einige Melktechnik-Hersteller bieten trittsichere und wasserdichte Leuchten an, die innen am unteren Abschluss des Melkstands eingebaut werden können.
Perfekt wäre Tageslicht von oben, so Niederhäuser. Werden Sandwichpaneele fürs Dach genutzt, können einzelne als Lichtband gestaltet sein. «Das wirkt freundlich und bringt immer mehr Licht rein als ein Seitenfenster.»
Ist dies nicht möglich, sind zwei Lichtkreise ratsam: Einen oberen für die Kuh und Raumbeleuchtung, einen unteren für das Melkpersonal.
Ein hoher Raum sorgt für ein gutes Klima im Melkstand
Neben genügend Licht ist auch eine gute Luftqualität für Mensch und Tier wichtig: Deshalb empfiehlt Andreas Niederhäuser, den Raum möglichst hoch zu gestalten. «Eine Zwischendecke behindert die Luftzirkulation», sagt er.
Die Wärme müsse vor allem im Sommer aus dem Melkstand fliehen können: Wenn es 30 Grad warm sei und zehn Kühe mit einer Körpertemperatur von 38 Grad in den Melkstand kommen, werde die Melkerei für Mensch und Tier unangenehm heiss, so Niederhäuser.
Den Melkstand so sorgfältig planen wie eine neue Küche
Warteraum, Melkstand und Milchraum müssen also sorgfältig geplant sein. «Ich bringe gern den Vergleich mit einer neuen Küche: Da lohnt sich die Sorgfalt auch», erklärt Niederhäuser. Ein Melker oder eine Melkerin verbringe täglich mehrere Stunden im Melkstand. Deshalb müsse der Arbeitsplatz Freude machen.
Auch in bestehenden Melkständen hält er einen kritischen Blick für vernünftig: «Häufig ist die Beleuchtung schlecht.» Vor Ort mit einem Elektriker die Situation anzuschauen, kann den Arbeitsplatz deutlich verbessern.
Das ist das Melkforum
Seit September 2023 gibt es das Melkforum auf dem Gelände des Inforama Rütti Zollikofen BE. Es wird von Inforama und HAFL partnerschaftlich geführt. Das Melkforum bietet Interessierten, die bereits in der Melktechnik tätig sind oder in den Sektor einsteigen möchten, Kurse an. Im Auftrag des Schweizerischen Landmaschinenverbandes organisiert die BFH-HAFL am Melkforum die Aus- und Weiterbildung der Melkmaschinen-KontrolleurInnen im ganzen Land. Zudem bildet es die Anlaufstelle der Schweizer Melktechnik.
