Im Jahr 2022 waren es 1086 Lernende, welche die Ausbildung als LandwirtIn EFZ abgeschlossen haben. Dieses Jahr werden es in etwa gleich viele sein, darauf deutet die Anzahl Lernender hin. Im August 2022waren es 3917 Lernende, welche in Ausbildung waren. Die Zahlen steigen leicht an, was Petra Sieghart, Leiterin Agriprof, freut.

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Doch was kommt nach der Lehre? Gleich die Betriebsübernahme oder einige Lehr- und Wanderjahre? «Wir finden es nicht erstrebenswert, direkt nach dem EFZ einen Betrieb zu übernehmen», so Sieghart. Das EFZ sei eine Grundbildung. «Die Kompetenzen für die Betriebsführung erlernt man in der höheren Berufsbildung – und das gilt nicht nur für die Landwirtschaft, sondern für alle Berufe.»

Betriebsleiterschule, Agrotechniker, HAFL, ETH: Die Möglichkeiten, nach einer soliden Grundbildung sein Wissen zu vertiefen, sind breit. Es gebe eine gewisse Konkurrenz unter den höheren Berufsbildungen, sagt Samuel Kohler, Leiter des Studiengangs Agronomie an der HAFL. An den höheren Fachschulen werde mehr Praxis vermittelt.

«Wir wollen die hellen Köpfean die Hochschule bringen»

An der HAFL sinke die Anzahl der Studierenden, die zuerst ein EFZ gemacht haben und über die Berufsmatura bei ihnen in Zollikofen landen. «Das finde ich schade», sagt Kohler: «Wir möchten die hellen Köpfe gerne bei uns an der Hochschule unterrichten.» Deshalb sei die HAFL aktiv, stelle ihr Angebot an den landwirtschaftlichen Schulen und an Messen vor. «Der Beruf verändert sich dauernd und das Leben ist ein dauernder Lernprozess», sagt Kohler.

Generell würden gut ausgebildete Leute fehlen und ein Abschluss an der HAFL sei attraktiv: «Jemand kann dann zum Beispiel in einem Teilbereich unterrichten.» Jährlich sind es rund 100 Lernende, die ihr Agronomie-Studium an der HAFL beginnen. Wer ohne EFZ Landwirt an die HAFL kommt, muss vorher ein eng betreutes Vorstudienpraktikum absolvieren, um den Praxisbezug zu haben. Das werde geschätzt, sagt Kohler.

An der ETH Zürich gibt es derzeit 266 Agrarwissenschafts-Studierende (131 im Bachelor- und 135 im Master-Studiengang). Im Jahr 2021 waren es 304 Studierende.

Emmanuel Frossard, Studiendirektor der Agrarwissenschaften an der ETH Zürich, sagt, dass gemäss der ETH-internen Befragung 60 % (2020) bzw. 80 % (2021) der Studierenden Personen in ihrem familiären Umfeld haben, die im Landwirtschaftssektor arbeiten.

Den Bezug zum bäuerlichen Alltag finden die Studierenden ganz konkret im Studium. Zum Bachelor-Studiengang gehört das 10-wöchige Agrar-Praktikum auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, im Master-Studiengang wird ein 16-wöchiges Praktikum im berufsbezogenen Umfeld absolviert.

Gut ausgebildete Fachkräfte sind überall gefragt

Probleme, nach dem Studium einen Job zu finden, haben weder EFZ-, noch HAFL- oder ETH-Absolvent-Innen: Emmanuel Frossard sagt, dass gut ausgebildete Fachkräfte fehlen und deshalb viele Stellen unbesetzt bleiben.

Die ETH-Befragung nach dem Studium zeigt, dass die meisten AbsolventInnen nach dem Studium in der verarbeitenden Produktion, in der Industrie, im Dienstleistungssektor, bei Banken und Versicherungen, in der Forschung und Entwicklung oder in der öffentlichen Verwaltung bei den Kantonen und beim Bund arbeiten. Sie unterrichten an Fachhochschulen, sind freiberuflich tätig oder arbeiten beispielsweise im Journalismus.

Für die HAFL- und EFZ-Absolvent-Innen gibt es keine vergleichbaren Befragungen. Samuel Kohler von der HAFL erklärt, dass seines Wissens Betriebsübernahmen nach der HAFL relativ häufig seien. Auch von Leuten, die nicht auf einem Hof aufgewachsen seien: «Das sind etwa ein Dutzend, die mir bekannt sind.»

Der ganz klassische Weg zur Betriebsübernahme führt aber weiterhin über die Betriebsleiterschule und die Meisterprüfung. Petra Sieghart hofft, dass möglichst viele noch Erfahrungen auf anderen Betrieben und am besten in anderen Regionen sammeln und dann die Berufsprüfung, am besten sogar die Meisterprüfung machen vor der Betriebsübernahme. «Damit ist man dann bestens vorbereitet», sagt sie.

Marco Galli, BSc Ag. FH [IMG 2]

2018 hat Marco Galli (31) an der HAFL seinen Bachelor in Agrarwirtschaft abgeschlossen, nach einer Lehre als Hochbauzeichner und der technischen Berufsmatura danach. Um an der HAFL studieren zu können, war für ihn das Vorstudienpraktikum Pflicht. «Ich bin auf einem sehr diversifizierten Bauernbetrieb im Kanton Thurgau aufgewachsen – inhaltlich war mir vieles vertraut.» Dennoch sei das Jahr auf dem Betrieb (Milchkühe, Ackerbau) in Muri AG interessant gewesen.

Er findet es sinnvoll, das Praktikum vor und nicht während des Studiums zu platzieren, damit es keinen Unterbruch gebe. An der HAFL hat ihm die Vielfalt der Module gefallen. In seiner Bachelorarbeit hat er einen Modellstall für Milchschafe entwickelt, da es dafür in der Schweiz kaum Planungshilfen gebe, berichtet er.

Mittlerweile arbeitet Galli als Büroleiter des Landwirtschaftlichen Bau- und Architekturbüros LBA in Ostermundigen. Und: Er hat mit seiner Frau seit Anfang 2023 einen Betrieb in der Gemeinde Grossaffoltern BE gepachtet. Auf dem 16-ha-Betrieb halten die beiden Mutterkühe, das Fleisch der Jungtiere vermarkten sie direkt an Privatkunden. Zudem produzieren sie Freiland-Erdbeeren sowie etwas Getreide. «Die HAFL hat mir den Horizont geöffnet für all die Möglichkeiten, die es in der Landwirtschaft gibt», sagt er.

Sämi Brunner, Landwirt EFZ [IMG 3]

Sämi Brunner (19) war Ende Mai 2023 noch mitten in den EFZ-Prüfungsvorbereitungen. Von August bis Ende September 2023 geht er auf eine Alp im Kanton Glarus. Die Zeit bis zur Rekrutenschule will er mit Aushilfen daheim und auf verschiedenen Betrieben überbrücken. Wohin es ihn nach der RS zieht, ist noch unklar: «Ich kann mir vorstellen, die Betriebsleiterschule zu machen.» Ob er den elterlichen Betrieb übernehmen kann und will, ist nicht nur unsicher, weil er zwei Brüder hat. Das Bauern ist für Brunner zwar ein Traum, doch: «Ich kann mir auch vorstellen, auf dem Bau zu arbeiten.»

Auf seinem Lehrbetrieb in Wetzikon hat es Milchkühe, Ackerbau und Direktvermarktung. Auf dem elterlichen Betrieb in Gibswil ZH gibt es ebenfalls Milchkühe,aber vor allem Grünland. Viel war ihm deshalb auf seinen drei Lehrbetrieben vertraut: «Aber ich habe viel gelernt, zum Beispiel, was die Fütterung betrifft.» Besonders interessant fand er auf seinem dritten Lehrbetrieb das System der saisonalen Abkalbung und das Vollweide-System für die Grundfutter-Verwertung.

Brunner macht seine Ausbildung am Strickhof Lindau. Es falle ihm nicht schwer, den Schulstoff zu lernen. Das Verhältnis von Theorie und Praxis findet er in Ordnung: «Je nach Standort des eigenen Betriebs muss man abschätzen, was man übernehmen kann.» Sein Heimbetrieb liege auf fast 1000 m ü. M., da sei in Sachen Ackerbau deutlich weniger möglich als in Lindau.

Ramon Winterberg, (bald) Msc. ETH [IMG 4]

In Bettwil AG führt Ramon Winterberg (39) mit seiner Frau Bettina Erni einen Bio-Betrieb mit Mutterkühen, Pferden (Zucht- und Pensionsstall), und vielfältigen Ackerkulturen. Übernommen haben die beiden den «Erushof» per 1.1.2022 – nachdem Winterberg seinen Bachelor an der ETH Zürich gemacht hat. Aktuell schreibt er seine Masterarbeit im Bereich Tierwissenschaften. Seine Frau ist Landwirtin EFZ: «Wir ergänzen uns sehr gut und reden uns aufgrund der unterschiedlichen Ausbildungsart nicht drein», sagt Winterberg.

Er habe eher das (theoretische) Hintergrundwissen, seine Frau kenne die Praxis. Da er auf dem Betrieb aufgewachsen ist, ist ihm jedoch die Praxis vertraut. Denn: Das Studium der Agrarwissenschaften an der ETH sei ganz klar keine Ausbildung zum praktizierenden Landwirt: «Wie man eine Sämaschine einstellt, muss man selber lernen.» Die ETH hat einen starken Fokus auf Forschung und gewichtet entsprechend Grundlagenwissen.

Nach seiner der Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer hat ihn an der ETH die Vermittlung der naturwissenschaftlichen Grundlagen gereizt. Zudem sei es auch eine persönliche Herausforderung, mit deutlich jüngeren Menschen eine Ausbildung zu absolvieren.
Der Erushof stehe auf einer soliden wirtschaftlichen Basis. Dennoch bemüht sich das Betriebsleiterpaar auch um Standbeine ausserhalb des Betrieb: «So werden wir nicht betriebsblind.» Dazu bietet die Ausbildung an der ETH eine gute Grundlage.