Seit 2018 diskutiert die Schweizer Landwirtschaft unter der Leitung der Organisation der Arbeitswelt OdA AgriAliForm darüber, wie die neue Grundbildung für LandwirtInnen aussehen soll. Denn die heutige Ausbildung entspricht nicht mehr den Anforderungen an die verschiedenen Betriebsstrukturen.

Seit Dezember 2022 steht nun fest, in welche Richtung die neue Grundbildung geht. Zum einen wird es ein neues flexibles Bildungsmodell geben, das verschiedene Fachrichtungen im dritten Lehrjahr vorsieht. Wer sich Wissen in mehr als einem Bereich aneignen will, kann in einem vierten Lehrjahr eine zweite Fachrichtung abschliessen. Damit dies auch finanziell attraktiv wird, muss der Lohn fürs vierte Lehrjahr etwas höher sein und zwischen dem einer ausgelernten Fachkraft und dem Lohn im dritten Jahr liegen.

Ursprünglich war geplant, dass das neue Modell 2024 in Kraft tritt. Das sei so nicht mehr möglich, es werde später, teilt Petra Sieghart mit, Leiterin Geschäftsbereich Agriprof.

Die Ausbildungsanforderungen waren auch Teil der sistierten AP22+. In der Neuaufnahme der Beratungen zur AP22+ wurden die Ausbildungsanforderungen jedoch nicht mehr thematisiert. Bis auf weiteres sei also keine Änderung der Anforderungen vorgesehen, schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft BLW auf Anfrage.

Eine breite Basis in den ersten zwei Lehrjahren

Was ändert nun konkret für die jungen Leute, die eine Ausbildung als LandwirtIn EFZ in Angriff nehmen wollen? Beat Elmer, Leiter der Abteilung Grundbildung am Plantahof, sieht Vorteile: «Das geplante Modell der Grundbildung stellt die Ausbildung in den ersten zwei Lehrjahren auf eine breitere Basis als bisher.»

Er sagt, dass der aktuelle Bildungsplan und die aktuellen Lehrmittel im Bereich Tierhaltung zum Beispiel mehrheitlich nur das Rindvieh behandeln. Beim neuen Modell werden die grundlegendsten Kenntnisse aller Kulturen im Pflanzenbau, wie auch der Nutztiere erarbeitet sowie der grundlegenden Maschinen und Einrichtungen eines Landwirtschaftsbetriebes, so Elmer.

Mehr Fachrichtungen im dritten und vierten Lehrjahr

In den Fachrichtungen (also ab dem 3. Lehrjahr) können die Lernenden sich anschliessend mit einem Bereich der Landwirtschaft vertieft auseinandersetzen. Wer möchte, kann in einem vierten Lehrjahr eine weitere Fachrichtung abschliessen.

Probleme bei der Suche nach einer Lehrstelle sehen weder Petra Sieghart noch Beat Elmer: Der Lehrstellenwechsel ist weiterhin sehr erwünscht und auch problemlos möglich, sagt Petra Sieghart. Die Zulassung der Lehrbetriebe ist an die Fachrichtung geknüpft. Wer sich etwa für die Fachrichtung Ackerbau entscheidet, muss das dritte bzw. vierte Lehrjahr auf einem Betrieb absolvieren, wo der Ackerbau auch ausgebildet werden kann.

Nicht jede Fachrichtungen an alle Landwirtschaftsschulen

Neu wird es die Fachrichtungen Ackerbau, Bio-Ackerbau, Rindviehhaltung, Geflügelhaltung, Schweinehaltung sowie Alp- und Berglandwirtschaft geben. Eine Erweiterung, die dazu führt, dass nicht jede Schule alle Fachrichtungen anbieten wird.

Die Reform bedeutet deshalb zum Beispiel für den Plantahof einen grösseren Koordinationsbedarf und auch eine engere Zusammenarbeit mit den anderen Landwirtschaftsschulen.

«Die ersten beiden Lehrjahre bekommen eine breitere Basis.»

Beat Elmer, Plantahof

Geplant ist gemäss Elmer, sicher die Fachrichtung Alp- und Berglandwirtschaft am Plantahof anzubieten. Die Inhalte (Kleinwiederkäuer, Rinder halten und pflegen, Herdenschutz, Verarbeitung von tierischen Produkten) sind für die Bündner Schule sehr relevant. Ebenfalls wird die Fachrichtung Rindvieh am Plantahof angeboten, die sich im Gegensatz zur Fachrichtung Alp- und Berglandwirtschaft vertieft nur mit dem Rindvieh befasst.

«Ebenfalls möchten wir eine Fachrichtung im Pflanzenbau anbieten (Ackerbau oder Bio-Ackerbau). Bei dieser versuchen wir aber, auch überkantonale Lösungen zu finden», sagt Beat Elmer.

Die Junglandwirte finden die neue Grundbildung sinnvoll

Für die Lernenden bedeutet das, dass sie unter Umständen nicht in dem Kanton beschult werden, in welchem sie ihren Lehrbetrieb haben. Die Lernenden haben dadurch zwar längere Fahrdistanzen, dafür wird der interkantonale Austausch gestärkt. Das System der Fachrichtungen braucht zu Beginn und auch vor dem Start der Lehre eine gute Aufklärung seitens der Schule, aber auch der Berufsbildner, so Elmer.

Die Junglandwirtekommission schreibt, dass sie von Beginn an miteinbezogen und bereits an den Grossgruppenworkshops 2018 dabei waren. Das nun gewählte Modell halten sie für sinnvoll. Es ermöglicht ein EFZ nach drei Jahren, welches mit einer Fachrichtung abgeschlossen wird. Dennoch: Die Junglandwirte sind der Meinung, dass mit den heutigen Anforderungen und dem vielen Schulstoff eine generelle Lehrdauer von vier Jahren angemessen wäre.

Die Grundbildung ist das eine, die höhere Berufsbildung HBB das andere. Petra Sieghart erklärt, dass diese direkt im Anschluss ebenfalls revidiert wird. «Der Anschluss muss möglichst reibungslos funktionieren.» Gemäss Vorgaben des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation muss der Übergang in die HBB sowohl nach Abschluss des dritten als auch nach dem vierten Jahr möglich sein.

Das vierte Lehrjahr wird also nicht obligatorisch für Betriebsleiterschule oder Meisterprüfung. Dennoch ist es je nach Betrieb sinnvoll, dieses zu absolvieren. Zum einen wird das vierte Jahr als Praxisjahr anerkannt – vor der Berufsprüfung gilt es ja, zwei Jahre Praxis zu absolvieren.

Als weiteren Anreiz wird die Reform der HBB so ausgelegt, dass Absolventen eines vierten Lehrjahres einen Vorteil haben. Dazu gäbe es gemäss Rücksprache mit dem zuständigen Bundesamt verschiedene Möglichkeiten.

 

Interne Vernehmlassung läuft nun vier Monate

Mitte Januar 2023 lehnte der SBV-Vorstand einen Antrag von Hansjörg Rüegsegger ab, Präsident des Berner Bauernverbandes. Dieser hatte beantragt, nicht nurdas Modell «3+1» in der Vernehmlassung zu diskutieren, sondern auch die Varianten:
- «3 Lehrjahre für alle/heutiges System optimiert»
- «4 Lehrjahre für alle»

Der Vorstand der OdA AgriAliForm schickt nun im Februar 2023 die Dokumente in die interne Vernehmlassung, welche vier Monate dauert und klären soll, ob sich mit den erarbeiteten Modellen die Ziele der Revision erreichen lassen.