Kurz & bündig

- Erst mit 28 Jahren lernte Ursula Studer Landwirtin.
- Nach der Lehre übernahm sie ausserfamiliär einen Betrieb, baute sämtliche Gebäude neu auf und spezialisierte sich auf die Pferdepension.
- Der Wissenstransfer von der «alten» Generation fehlt Ursula Studer.
- Ursula Studer eignet sich Wissen durch Berufskollegen und in Kursen an.

[IMG 8]Ursula Studers Umfeld konnte es kaum glauben: «Du willst Landwirtin werden?» Mit ihrem Entscheid überraschte sie alle. Die damals 28-Jährige hatte fünf Jahre studiert und unterrichtete seit zwei Jahren die Fächer Deutsch, Geschichte, Musik und Sport an der Sekundarschule. Und dann zog Ursula Studer die Reissleine.

Sie hatte den Koller, wollte körperlich arbeiten. «Und ich habe reichlich spät realisiert, dass ich kein guter Teamplayer bin», sagt Ursula. Eine Grundvoraussetzung, um als Lehrkraft zu arbeiten.

Ursula Studer wuchs mit Pferden auf. Auch ihr Vater und ihre drei Schwestern waren mit dem Pferdevirus infiziert. Die Familie hielt die Pferde in einem eigenen Stall in Wittnau AG. Und schon immer wünschte sich auch Ursula Studer, einmal einen kleinen Stall für ihre Pferde zu haben.

Aber sie hätte sich niemals gedacht, dass sie plötzlich Betriebsleiterin eines 24-Hektar Betriebes mit fast 30 Pferden sein wird und das Fleisch ihrer Zwergzebus selber vermarktet.

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«Nach fünf Jahren können wir langsam mitreden»

Die Lehrzeit in den Jahren 2011 und 2012 waren kein Zuckerschlecken. «Dinge, die Mitschüler einfach so konnten und machten, musste ich mir mühsam aneignen», sagt Ursula Studer. Das waren teils kleine, aber alltägliche und relevante Arbeiten: «Beim Rückwärtsfahren mit Traktor und Anhänger oder beim Anhängen von Anbaugeräten tat ich mich schwer.»

Geholfen haben ihre schnelle Auffassungsgabe und ihr Durchhaltevermögen. «Meine Stärken lagen dafür im ruhigen und bestimmten Umgang mit Tieren», sagt Studer, «etwa beim Verladen der Natura Beef, beim Pflegen der Kälber und beim Melken.»

2012 schloss Studer die Ausbildung zur Landwirtin ab und bereits zwei Jahre später konnte sie zusammen mit ihrem Mann Oliver Schmutz den Raihof auf dem Kornberg im aargauischen Fricktal erwerben.

Rückblickend sagt die heute 35-jährige, dass die Ausbildung zur Landwirtin alleine nicht reicht, um einen Betrieb zu führen. Deshalb absolvierte sie zusätzlich die Betriebsleiterschule. «Ich führe den Betrieb jetzt im fünften Jahr, und erst jetzt kann ich langsam mitreden», sagt die Landwirtin.

Ursula Studer stammt nicht direkt aus der Landwirtschaft und deshalb konnte sie nicht von einem Wissenstransfer der Eltern profitieren. «Es ist ein kontinuierliches Lernen», sagt die Landwirtin, «und ich fülle die Lücken Stück für Stück.» Deswegen besucht sie regelmässig Kurse und steht im Austausch mit Berufskollegen.

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Privilegiert – aber die Arbeit auf dem Hof bleibt hart

Ursula Studer nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie schneidet Themen an, die in der Landwirtschaft verbreitet sind und über die man nicht gerne spricht: Es geht um Neid. «Es ist kein Geheimnis», sagt Studer, «hätte uns mein Vater nicht grosszügig finanziell unterstützt, hätten wir uns einen Betrieb in dieser Grösse niemals leisten und neu aufbauen können», sagt Studer. Dieses finanzielle Glück gönnen ihr nicht alle in gleichem Masse.

Während Ursula Studer mit ihrem Mann und den beiden Kindern im Dorf wohnt, hat Studers Vater im Gegenzug ein Wohnrecht auf dem Betrieb. Ursula Studer hat kurz nach der Betriebsübernahme im Jahr 2014 sämtliche Gebäude ersetzt und nach ihren Wünschen gestaltet.

«Unsere Situation ist ganz klar ein Privileg», sagt Studer. Aber es ändere nichts an der Tatsache, dass sie und ihr Mann viel und hart arbeiten. «Wir sind innovativ und versuchen etwas zu bewegen», sagt Studer. «Unsere Tage sind genauso lang und anspruchsvoll, wie die unserer Berufskollegen.»

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Ein gutes Team: Die Aufgaben auf dem Betrieb sind klar verteilt

Beim Bau war Studers Ehemann Oliver Schmutz stark involviert. Er ist selbstständig im Bereich Metallbau und Konstruktion, wie auch in der Planung von landwirtschaftlichen Gebäuden. Oliver Schmutz ist oft auf dem Betrieb anzutreffen. Sei es, wenn es um die Instandhaltung von Maschinen und Gebäuden geht, beim Zäunen, und hin und wieder vertritt er seine Frau beim Misten. «Dann gibt er jeweils richtig Gas, als triebe er Sport», sagt Studer und lacht, «für ihn ist es ein guter Ausgleich zum Büro.» Die beiden ergänzen sich gut. «In allem, was ich weniger gerne mache, ist mein Mann sehr gut.» Das seien etwa Sanitär- oder Elektroarbeiten oder Verhandlungs-Gespräche.

Ursula Studers Stärken liegen bei der Betriebsführung und der Buchhaltung, dem Umgang mit den Mitarbeitenden, den Pferdebesitzern und beim Umsorgen der Kühe, Kälber und Pferde.

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Stillsitzen während der Schwangerschaft ist nicht Studers Ding

Als Studer und Schmutz den Betrieb planten, haben sie ein Augenmerk auf Effizienz gelegt. So investierten sie in eine Saugentmistung. In jeder Pferdeboxe hat es einen Klappdeckel am Boden. Das ist der Zugang zum unterirdischen Rohrsystem, welches den Mist durch Luft von der Pferdebox auf den Miststock befördert. «Drei Minuten benötigen wir pro Boxe», sagt Studer. Das spare einen Mitarbeiter und schone den Körper. Stichwort «schonen»: Das ist für das Energiebündel ein aktuelles, aber leidiges Thema. Ursula Studer ist beim Besuch von «die grüne» mit dem dritten Kind im 7. Monat schwanger. «Ich kann kaum warten, bis es endlich da ist», sagt Studer.

Einen Gang herunterschalten und während der Schwangerschaft stillsitzen, ist nicht ihr Ding. Erst, wenn die Hebamme sie dazu drängt und vor Komplikationen warnt, geht es Studer etwas ruhiger an: «Ich habe mich entschieden, diese Woche nicht zu reiten, um mich zu schonen.»

Aber wenn sie ein krankes Pferd oder Kalb im Stall habe, dann müsse sie eben länger arbeiten und vielleicht auch in der Nacht ein bis zweimal kontrollieren. «Solche Arbeiten kann ich nicht abgeben», sagt Studer.

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Spagat zwischen Betrieb, Familie und Freizeit

Ursula Studer ist auf Angestellte angewiesen, anders wäre der Alltag nicht zu bewältigen. Seit einem Jahr unterstützt sie Landwirt Aurélien Giroud in einem 80-Prozent-Pensum auf dem Betrieb.

Tagesmutter Sandra Siegfried schaut an den Vormittagen unter der Woche zu den Kindern, und arbeitet in einem 20-Prozent-Pensum auf dem Betrieb mit. Diese Entlastung an den Vormittagen ermöglicht es Studer, auf dem Betrieb zu arbeiten. «Ich würde mich nicht als typisches Mami bezeichnen», sagt Studer über sich. «Ich identifiziere mich sehr durch die Arbeit auf dem Betrieb und ich möchte darauf nicht verzichten.»

An den Nachmittagen sind dann die beiden Kinder Valentin (4) und Lionel (2) mit von der Partie und dürfen auf dem Betrieb dabei sein. «Das geht sehr gut bei leichten Arbeiten oder wenn ich Reitstunden gebe», sagt Studer.

Dank ihren beiden Angestellten haben Studer und Schmutz mit ihren Kindern zwei freie Wochenenden pro Monat. «Im Prinzip», sagt Studer, «wir sind ja eh meistens da.» Aber die Idee sei schon, ab und zu mal wegzugehen.

Die Freizeit verbringt Studer mit ihrer Familie oder geht reiten. Und einmal pro Monat schwingt sich die Landwirtin nicht in den Sattel, sondern auf den Orgelstuhl. «Ich spiele an Gottesdiensten in der Region», sagt Studer. Zum Üben bliebe kaum Zeit. «Aber bis jetzt hat sich noch niemand beschwert, dass ich immer die gleichen Stücke spiele», sagt Studer und grinst.

Trotz Hof – Ferien muss für die junge Familie zwingend Platz haben. «Zwei bis drei Wochen pro Jahr gehen wir campieren», sagt Studer.

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Gesunde Distanz zwischen Wohnort und Betrieb

Beim Reiten kann Ursula Studer Energie tanken. Wenn sie frei hat, werde das von den Pferdebesitzern respektiert. Sie habe wirklich Glück mit ihren Kunden, sagt Studer. Die Pferdebesitzer kommen untereinander gut aus, und die Zahlungsmoral sei gut. Je nach Boxe und Zusatzleistungen kostet ein Platz auf dem Raihof zwischen 630 und 1000 Franken. «Die Pferdepension kann lukrativ sein», sagt Studer, «aber man muss es gut machen.»

Die Pferdepension umfasst neben den Auslauf- und Innenboxen auch einen Gruppenlaufstall, einen Reit- und Allwetterplatz, Weiden, eine Sattelkammer mit Reiterstübli und einen Abspritzplatz.[IMG 11]

Im Moment leben 27 Pferde auf dem Raihof. «Noch mehr wachsen möchten wir nicht», sagt Ursula Studer. Sie möchte lieber in die Infrastruktur investieren und zusätzliche Dienstleistungen anbieten. «Ein Solarium und ein Laufband für Pferde habe ich in Planung», sagt Studer.

Die Pferdebesitzer verbringen auf dem Raihof ihre Freizeit. «Für mich ist es Arbeit», sagt Studer. Und trotzdem sei wichtig, dass man sich für die Pferdebesitzer Zeit nehme. «Man muss eine Linie haben, aber auch mal Kompromisse eingehen», sagt Studer.

Diese Balance zu finden sei manchmal eine Herausforderung. «Ich musste mich auch schon selber an der Nase nehmen und merken, dass es auch andere Wege gibt», sagt Studer.

In einem Pensionsstall brauche es Ehrlichkeit, Transparenz und die Entscheidungen müssen für die Pferdebesitzer nachvollziehbar sein. Um allgemeine Informationen auszutauschen, nutzt Studer den WhatsApp-Gruppenchat.

Dass Ursula Studer mit ihrer Familie nicht auf dem Betrieb wohnt, ist ungewöhnlich. Die Familie wohnt im Elternhaus von Oliver Schmutz in Wittnau AG, zehn Autominuten vom Betrieb entfernt. «Ich dachte, das würde zu einem riesen Problem werden», sagt Studer rückblickend.

Jetzt sieht sie das ganz anders. «Die Distanz zum Betrieb tut gut», sagt Studer. Abends mache meistens ihr Mitarbeiter den Stall. Sie selber habe um 17 Uhr Feierabend. «Also Feierabend auf dem Betrieb», präzisiert Studer, «danach bin ich für die Familie da.» Spätabends, zwischen 21 und 22 Uhr macht Ursula Studers Vater jeweils noch eine Stallkontrolle.

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Exotische Zwergzebus beweiden die steilen Hänge

Die Pferde sind klar das Herzstück des Betriebes. Daneben hat Studer 15 Zwergzebu-Mutterkühe, welche die Hänge beweiden. «Ich suchte nach einer leichten, genügsamen Rasse», sagt Studer. Sie entschied sich für die exotischen Zwergzebus. Obwohl Dexter-Kühe auch eine gute Alternative gewesen wären.

Alle ein bis zwei Monate wird ein Tier geschlachtet. Das Schlachtgewicht beträgt pro Tier 80 bis 100 kg SG. Die Vermarktung laufe ausschliesslich über eine Info-Mail. «Die Mund-zu-Mund-Propaganda ist nicht zu unterschätzen», sagt Studer. Dadurch kommt sie zu neuen Kunden und kann fast alles Fleisch direkt vermarkten.

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Ursula Studer würde niemals in ihr altes Leben zurückkehren

Ursula Studer blickt auf die letzten fünf Jahre und resümiert: «Pferdepension, Landwirtschaft, Familie – es ist viel, wirklich viel Arbeit.» Und der Verdienst sei kleiner als als Lehrerin.

«Aber wenn wir das Heu einfahren und die Qualität hervorragend ist, gibt es kaum etwas Schöneres», sagt Studer.

Auf dem Raihof brauche sie niemanden, der ihr auf die Schulter klopfe und sage, wie gut sie ihre Arbeit mache. «Mein Antrieb sind gesunde Tiere, zufriedene Kunden und eine wohlige Müdigkeit am Abend», sagt Studer. «Auch wenn es manchmal hart und anstrengend ist», sagt Studer, «zurück möchte ich niemals.»

Betriebsspiegel Raihof

Ursula Studer (35) und Oliver Schmutz (35) mit Valentin (4) und Lionel (2), Herznach AG

LN: 24 ha
Bewirtschaftung: ÖLN
Kulturen: Weizen, Gerste, Kunstwiese
Tierbestand: 27 Pferde, 15 Zwergzebu-Mutterkühe
Betriebszweige: Pferdepension, Altersweide, Direktvermarktung
Arbeitskräfte: Ursula Studer, ein Angestellter (80 %), eine Angestellte (20 % Betrieb, 40 % Tagesmutter)

www.raihofag.ch