Ein Hofladen steht normalerweise auf einem Bauernhof. Das muss nicht zwingend so sein, finden die Betreiber vom BahnHOFLaden in Trubschachen BE.
Direktvermarktung ist in Trubschachen «eher chnorzig»
In Trubschachen BE backt Kambly seit 1906 die feinen Butterbretzeli und seit 1959 die eher rustikalen Schweizer Militärbiscuits. Nur einen Steinwurf entfernt steht seit 1356 der älteste Gasthof «Bären» der Schweiz, ein Ständerbau wie aus der Gotthelf-Verfilmung von «Ueli der Knecht».
Arme Knechte wie den Ueli gibt es im Jahr 2021 im Emmental Gottlob keine mehr. Von den 834 Erwerbstätigen im Dorf arbeitet aber noch jeder fünfte Trubschacher in der Landwirtschaft.
Unter ihnen auch einige innovative Trueber Landwirtinnen und Bäuerinnen, die köstliche Lebensmittel produzieren – deren Direktvermarktung aber «eher chnorzig» ist, wie die Bäuerin Margareta Wittwer erklärt. Die Bauernhöfe in Trubschachen sind mehr als eine Stunde von Bern entfernt und liegen weit auseinander. Ausser ein paar Wanderern würde kaum Kundschaft zu den Hofläden finden.
Kommt der Kunde nicht zum Hof, muss der Hof zum Kunden, sagten sich 2014 eine Handvoll LandwirtInnen und Bäuerinnen. Und wo findet man in einem Dorf mehr Kunden als im Bahnhof? In jenem von Trubschachen stand der Wartesaal seit einigen Jahren leer.
Der BahnHOFLaden Trubschachen wird von einem Verein geführt
Die LandwirtInnen und Bäuerinnen gründeten einen Trägerverein, dessen heutige Präsidentin die Bäuerin Margareta Wittwer ist, und mieteten den 30 Quadratmeter grossen Wartesaal von den Schweizerischen Bundesbahnen SBB für 100 Franken pro Monat.
Mit einem finanziellen Zustupf von der Schweizer Berghilfe und viel Eigenleistung renovierten sie den Wartesaal. Die Wände wurden neu gestrichen, alte Möbel aus der Brockenstube fein herausgeputzt.
Entstanden ist ein BahnHOFLaden mit viel Charme und heimeliger Atmosphäre. Und anstelle des gläsernen Bahnschalters steht eine Holzwand mit einem Schlitz, in den die Kunden ihr Geld einwerfen können.
Neben dem Schlitz für das Bargeld klebt der QR-Code von Twint. Auch in Trubschachen geht man mit der Zeit – und profitiert von der Bezahl-App auf dem Smartphone: «Wir machen einen Viertel vom Umsatz mit Twint und stellen fest, dass die Twint-Kunden grössere Einkäufe machen», freut sich Bäuerin und Vereinspräsidentin Margareta Wittwer.
Sechs Jahre nach Eröffnung liefern 23 LandwirtInnen und Bäuerinnen ihre Produkte in den Laden. Sie bewirtschaften mit ihren Familien rund um Trubschachen eher kleinere Betriebe mit 10 bis 15 Kühen. Im Sommer und Herbst produzieren sie zudem Kartoffeln, Gemüse und Zwiebeln, die auch im BahnHOFLaden verkauft werden.
BahnHOFLaden in Trubschachen BE
Die wichtigsten Kennzahlen zum BahnHOFLaden Trubschachen BE
Seit: 2000
Lokal: Bahnhof-Wartesaal, 3555 Trubschachen BE
Träger: Verein BahnHOFLaden Trubschachen
Facebook-Seite: Verein BahnHOFLaden Trubschachen
ProduzentInnen: 23 LandwirtInnen und Bäuerinnen
Umsatz: 80'000 Fr./Jahr
Die fünf wichtigsten Produzentinnen (bezogen auf die Liefermenge)
- Margareta Wittwer, Trubschachen (Käse, Eier, Dörrobst)
- Ruth Wüthrich, Aeschau (Bretzeli, Magenbrot, Gemüse)
- Katharina Badertscher, Langnau (Honig, Konfitüre, Risotto)
- Heidi Habegger, Fankhaus (Käse, Trockenfleisch, Trockenwurst, Meringues, Backwaren)
- Heidi Häusler, Trub (Backwaren, Pralinen)
Der BahnHOFLaden Trubschachen macht bis 80'000 Franken Umsatz pro Jahr
Die Produzentinnen für den BahnHOFLaden sind automatisch auch Mitglieder des Vereins und bezahlen mit ihrem Jahresbeitrag die Miete, welche die SBB inzwischen auf 251 Franken pro Monat heraufgesetzt hat.
Der Standort ist ideal: Drei Viertel der Kunden im BahnHOFLaden sind Besucher des «Kambly-Erlebnis», eines beliebten Ausflugsziels mit Fabrikladen, oder hungrige Wanderer. Aber auch Einheimische schätzen das Sortiment.
Bis 80'000 Franken Umsatz macht der BahnHOFLaden pro Jahr. Der Verein kauft den Produzentinnen die Ware ab und verkauft sie mit einer Marge von 20 Prozent weiter. «Unser Ziel ist, dass die Produzentinnen möglichst viel an der verkauften Ware verdienen.»
Ehrenamtliche «Ladenhüter» betreuen den BahnHOFLaden Trubschachen
Das Öffnen des BahnHOFLadens am Morgen und das Schliessen der Türe am Abend übernehmen ehrenamtliche Mitglieder des Vereins, die sich selbst mit Schalk in den Augen als «Ladenhüter» bezeichnen.
Die «Ladenhüter» füllen auch täglich die Regale und Kühlschränke auf und notieren, welche Produkte fehlen. Diese werden dann bei der jeweiligen Landwirtin oder Bäuerin bestellt.
Der BahnHOFLaden ist auch am Wochenende geöffnet. Dann werden keine kleinen Brötchen gebacken, sondern währschafte Brotlaibe. Drei Bäuerinnen wechseln sich in der Backstube ab und bringen am frühen Samstag- und Sonntagmorgen Emmentaler Züpfe und andere Backwaren in den BahnHOFLaden.
Sie ergänzen perfekt das reguläre Angebot. Dessen umsatzstärksten Produkte sind:
- Käse
- Eier
- Honig
- Trockenwurst
- Backwaren
Das Angebot im BahnHOFLaden ist überraschend gross und die Frauen vom Trägerverein hätten «mängisch gärn echli meh Platz». Aber dafür den perfekten Standort vom BahnHOFLaden im alten Wartesaal aufgeben? Nein, niemals.
