Kurz & bündig

  • Susanne Betscher führt seit 2008 in Altishofen LU als Betriebsleiterin einen Schweine-Betrieb.
  • Die Landwirtin ist in einem Arbeitskreis aktiv, der ihren Ehrgeiz als Züchterin geweckt hat.
  • Susanne Betscher war 2018/19 bei der SBV-Basiskampagne dabei.
  • Es ist ihr wichtig, dass auch ihre Berufskollegen zeigen, wie die Landwirtschaft in der Schweiz funktioniert.

Frischgeborene Ferkeln suchen nach den Zitzen der Mutter. Susanne Betscher zieht ein Ferkel, das sich in der Fruchtblase verheddert hat und am Stallrand liegt, raus. Ein Klaps auf den Rücken, das Schweinchen zappelt und tapst im Stroh zu seinen Geschwistern. Ein Gewusel wie aus dem Bilderbuch.

Und ein Mädchentraum in Rosa? Susanne Betscher lacht. Die Landwirtin ist auf einem Hof im luzernischen Rickenbach mit sechs Geschwistern aufgewachsen. Als Jugendliche hatte sie nur ein Ziel: «Nie mehr bauern!» Sie erinnert sich an die vielen Wochenenden, die sie mit Arbeit statt mit ihren Kollegen verbracht hat, daran, wie anstrengend es war, den Eltern zu helfen.
Der Berufsberater hat ihr zu einer Lehre als Hochbauzeichnerin geraten: «Ich war gut in Mathematik und im Zeichnen.» Nach der vierjährigen Lehre hat Susanne Betscher zwei Jahre gearbeitet und dann doch noch die Lehre als Landwirtin nachgeholt. Den elterlichen Hof hat ihr Bruder übernommen – «das ist so Tradition.»

Als Betriebsleiterin hat Landwirtin Susanne Betscher viele Freiheiten

Heute führt die 49-Jährige im luzernischen Altishofen den Wiggerhof von Meinrad Pfister mit 100 Muttersauen und 500 Mastplätzen. Lange hat sie Aushilfen gemacht und war als Landwirtin angestellt. «Ganz gewagt habe ich den Schritt zum eigenen Hof nie», sagt sie. Ihr Mann Rudi sei gelernter Metzger und habe mit Landwirtschaft sehr viel weniger am Hut als sie.
Umso mehr schätzt sie es, als Betriebsleiterin die Verantwortung zu tragen, aber dennoch gewisse Freiheiten zu geniessen. So sind Betscher und ihr Mann aktive Zünftler in der Pfyfferzunft und nehmen an der Fasnacht teil – was in der Fasnachts-Hochburg Altishofen eher eine Lebenseinstellung als «nur» ein Hobby ist.

2008 bekam Susanne Betscher das Angebot, auf dem Hof von Meinrad Pfister als Betriebsleiterin zu arbeiten. «Diese Herausforderung kam genau im richtigen Moment», sagt sie. Bis heute funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut. «Ich habe im Tagesgeschäft komplett freie Hand, grössere Investitionen besprechen der Besitzer und ich zusammen.»

Zum Schweinebetrieb gehört eine Biogas-Anlage, die Strom für rund 1000 Haushalte liefert. Um die Biogas-Anlage kümmert sich die jüngere Generation von Thomas Hunkeler, einem Verwandten von Meinrad 
Pfister. «Die jungen Leute brauchen ihren Freiraum», sagt Susanne Betscher. Ganz leicht sei es ihr aber nicht gefallen, die Verantwortung für die Biogas-Anlage zum grossen Teil abzugeben.

Der Arbeitskreis hat Susanne Betschers Ehrgeiz als Züchterin geweckt

Denn ehrgeizig sei sie, sagt sie nach kurzem Zögern: «Der Arbeitskreis hat meinen Ehrgeiz als Züchterin geweckt.» Und auf das Angebot eines Futtermittel-Lieferanten ging sie in dem Moment ein, als er ihr zusagte, dass sie damit ein Ferkel pro Jahr mehr aufziehen könne. «Und es hat geklappt!»

Susanne Betscher zeigt ihre 
Welt gerne den Konsumenten

Die Zucht ist der Bereich der Schweinehaltung, der ihr am meisten zusagt: Susanne Betscher hat einen 3-Wochen-Turnus beim Abferkeln. Das gibt ihr die Flexibilität, Würfe auszugleichen. Die trächtigen Sauen leben in 10er-Gruppen in der Nähe eines Spazierwegs, das gibt Gespräche mit der Kundschaft. Seit Frühling 2020 haben Betschers ein schmuckes Häuschen, in dem sie gewisse Hofprodukte direkt vermarkten: Kartoffeln, Fleischspezialitäten und alles, was Rudi Betscher auch auf den Märkten anbietet.

Susanne Betscher ist offen, den Konsumentinnen und Konsumenten ihre Welt zu zeigen: «Fleisch ist ein Grundnahrungsmittel. Wieso sollen wir nicht essen, was wir in unserem Land produzieren können?» Früher sei sie zurückhaltender gewesen, «mehr so: Kopf runter und hü!», erzählt sie.

Verändert habe sich diese Einstellung zum einen durch den Arbeitskreis, in dem sie sich regelmässig mit Berufskollegen austauscht. Die 13 Landwirte besuchen sich auf den Betrieben und kritisieren einander ehrlich und konstruktiv. Zum anderen ist in ihren Berufsjahren immer bewusster geworden, dass Geheimniskrämerei nichts bringe: «Es ist meine Aufgabe, mich korrekt um meine Tiere zu kümmern. Da gibt es nichts zu beschönigen und nichts zu verstecken.»

Viele Reaktionen auf die SBV-Basiskampagne im Jahr 2018/19

Deshalb hat Susanne Betscher dann auch an der SBV-Basiskampagne für das Jahr 2018/19 mitgemacht. Der «schräge» Schnappschuss, der auf den Plakaten zu sehen war, habe ihr sehr viele Reaktionen eingebracht und sie auch verändert. Sie stehe stärker zu sich, sagt sie. «Aber mittlerweile finde ich, dass mein Name bekannt genug ist.» Deshalb hofft sie, dass sich auch andere überzeugen lassen, die Hoftüren zu öffnen und zu zeigen, wie die Landwirtschaft funktioniert.

Eigentlich wollten auch Susanne und Rudi Betscher am 7. Juni am «Tag der offenen Hoftüre» mitmachen. Die Coronakrise hat das verunmöglicht, was beide sehr bedauern. Aber für die Zukunft plant das Paar, Führungen durch den Betrieb zu machen und 
danach ein Catering anzubieten. Die Arbeitsteilung der beiden ist klar: Rudi Betscher ist für «drinnen» zuständig, Susanne Betscher für draussen. Er kocht meistens, sie kümmert sich mit einem Angestellten um den Betrieb.

Den Umgang mit den Medien ist Betscher mittlerweile gewöhnt. Auch wenn jedes Mal die Frage komme, wie es denn so sei, als Frau in der Männerdomäne «Schwein». «Ich kenne nichts anderes», sagt sie. Manchmal nerve es sie auch, sich immer erklären zu müssen – als Betriebsleiterin trägt sie die Verantwortung für ihre Tiere, das sei selbstverständlich.

Schweine-Betriebe sind auf der Suche nach guten Angestellten

«Es ist eine Tatsache, dass es wenig Frauen gibt, die in der Landwirtschaft arbeiten», sagt Betscher. So hatte sie zwar auch schon Praktikantinnen, aber noch nie eine Angestellte. Betschers Mitarbeiter kommen häufig aus dem Osten. «Viele Schweine-Betriebe haben Mühe, gute Angestellte zu finden.» Das Lohnniveau sei nun mal tief.

Susanne Betscher führt den Betrieb mit Herzblut: «Ich kann mir nichts anderes vorstellen.» Zu ihren Schweinen hat sie einen engen Draht: «Sie kommen mir näher als Rinder, sind für mich weniger scheu.»

Am liebsten ist sie beim Abferkeln dabei, leistet Geburtshilfe, wenn es nötig ist, und betreut die Ferkel. Aber so gern sie ihre Tiere hat: «Ich entscheide nach wirtschaftlichen Kriterien. Wenn der Moment da ist, sie in den Schlachthof zu bringen, bedanke ich mich bei ihnen und schicke sie.»

Weniger gern erledigt sie die Impfungen. Beim Kastrieren hilft ihr Rudi Betscher. Im Teamwork gehe das Ferkel einsammeln, Schmerzmittel verabreichen, betäuben und dann 
kastrieren sehr viel schneller.

Susanne Betscher steht hinter ihrer Art der Schweinehaltung. Die Tiere werden nach den Richtlinien von IP-Suisse gehalten. Das Fleisch wird über Terrasuisse vermarktet.

Fünf Tonnen Fleisch verarbeitet Rudi Betscher jedes Jahr auf dem Hof. Seine Spezialitäten sind die verschiedenen Rauchwürste – von milden Apfel-Trockenwürsten bis hin zu scharfen Chili-Würsten.

Neben der Laufkundschaft hat sie auch regelmässig Kinder aus dem Dorf, die auf dem Hof mithelfen. Die Kinder unterstützen Susanne Betscher bei der Ferkelanfütterung und -betreuung, der Stallreinigung und dem Einstreuen. Sie lernen bei ihr sehr viel über das Hausschwein. «Sie sind willkommen», sagt Susanne Betscher.

Susanne Betscher wünscht 
sich mehr offene Hoftüren

Ihre Offenheit legt sie auch ihren Berufskollegen ans Herz, gerade, wenn sie an die Agarinitiativen denkt: «Mir scheint es sinnvoller, direkt mit den Menschen zu reden und nicht einfach Vorträge zu halten.»
Denn die Initiativen bringen sie zum Nachdenken – der Bezug zu den Lebensmitteln sei bei vielen Menschen komplett verloren gegangen. «Es braucht deshalb unbedingt offene Türe statt Geheimniskrämerei!», sagt Susanne Betscher.

 

 

Betriebsspiegel Wiggerhof

Besitzer Meinrad Pfister, Betriebsleiterin Susanne Betscher, Altishofen LU

LN: 10 ha

Bewirtschaftung: ÖLN, Talzone

Kulturen: Kartoffeln

Tierbestand: 100 Mutterschweine, 500 Mastplätze

Weitere Betriebszweige: Biogas-Anlage (650 kWh), Direktvermarktung von Fleischspezialitäten und Kartoffeln

Arbeitskräfte: Susanne Betscher, ein Angestellter Vollzeit und ein Angestellter 50 Prozent

www.wiggerhof-altishofen.ch
www.rudibetscher.ch