Kurz & bündig

- Die Zuckerrüben-Saatgutproduktion ist sehr zeit- und arbeitsintensiv.
- Zuckerrüben brauchen die Vernalisation (Kältereiz), damit sie überhaupt Samen bilden.
- Aktuell wird nach alternativen biologischen Beizmitteln als Ersatz für das verbotene Mittel «Gaucho» geforscht.
- Bei KWS haben wir am Rande der Agritechnica recherchiert. Weitere Zuckerrüben-Saatgutproduzenten im Schweizer Markt: Strube, Betaseed, SESVanderHave.

Ein Blick in die Zuckerrüben-Saatgutproduktion von KWS in Einbeck (D) zeigt, wie viel Arbeit hinter einem winzigen Saatkorn steckt. Den grössten Teil der Arbeit machen die Forschung und Sortenentwicklung aus. Die ganze Sortenentwicklung, vom Forschungsbeginn bis das Saatgut schliesslich auf dem Markt verkauft werden kann, dauert acht bis zwölf Jahre.

Doch die Sortenentwicklung ist zentral und ein grosser Hebel für pflanzenbauliche Fortschritte. «Ohne moderne Pflanzenzüchtung gäbe es kaum Produktivitätssteigerungen im Anbau und wir bräuchten viel mehr Landfläche, um dieselben Erträge generieren zu können», sagt Achim Feger, Regionaldirektor für Zuckerrüben bei KWS. Sowohl die Forschung als auch die Saatgut-Vermehrung sind ziemlich aufwändig.

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Zuckerrüben müssen von Hand gekreuzt werden

Die Zuckerrübe ist eine sogenannte 3-Wege-Hybride. Bei der Zuckerrübensorte, welche schliesslich vom Landwirt ausgesät wird, handelt es sich um eine Hybridsorte. Dazu kreuzt man zwei Elternlinien miteinander, um einen möglichst grossen Heterosis-Effekt mit Leistungssteigerung erzielen zu können. Die Elternlinien sind selbst bereits Hybride und werden über mehrere Generationen mittels Inzucht weitervermehrt bzw. erhalten.

Damit die Zuckerrübe Samen bildet, braucht es die Vernalisation, damit sie ins Schossen kommt: Also eine Kälteperiode von mindestens acht Wochen. Bei der Zuchtstation passiert das im Kühlhaus. Deshalb dauert die Vermehrung einer Sorte auch fast zwei Jahre (siehe Abbildung «Saatgut-Vermehrung»).

Anschliessend werden bei den Pflanzen die männlichen Blütenstände mit einer Pinzette von Hand entfernt und die Narben einzelner Blüten mit Pollen einer anderen Zuckerrübenpflanze bestäubt. Somit erreicht man eine kontrollierte Kreuzung.

Ernten, reinigen, pillieren, kontrollieren, färben, abfüllen

Später, wenn die gewünschten Hybridsorten gezüchtet wurden, muss das Saatgut vermehrt werden. Zuerst werden die Zuckerrüben im August gesät. Im nächsten Februar werden die Zuckerrübenstecklinge geerntet und erneut bei Landwirten in Frankreich und Italien gesetzt. Dazu werden abwechseln immer Mutter- und Vaterlinien in Reihen gesät, um die finale Hybridsorte zu züchten.

Dann wird das Kraut runtergemulcht, damit alle Pflanzen gleichmässig viel Samen bilden. Wichtig ist, dass nach der Blüte im Juli die Pollenspender (Vaterlinie) runtergehäckselt werden und nur die befruchtete Mutterlinie ausreift. Diese wird dann geerntet und die Samen kommen zu KWS nach Einbeck (D) zur Reinigung und Aufbereitung. Dort durchlaufen die Samenkörner zahlreiche Qualitätskontrollen und Aufbereitungsstationen. Die Körner werden gereinigt, gesiebt und nach Grösse sortiert. Schliesslich kommt eine Pillierung aus Holzmehl und Kleber drauf, damit alle Saatkörner eine Kalibergrösse zwischen 3,5 bis 4,75 mm haben. Diese Norm ermöglicht dem Landwirt die gleichmässige Saat und Bestimmung der Saatmenge.

Zum Schluss kommt noch die je nach Unternehmen patentierte Farbe drauf. Im Fall von KWS ist es orange. Dank der Farbe wird das Saatkorn später nach der Saat im Boden schnell wieder gefunden.

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Viele Herausforderungen in der Zuckerrüben-Saatzucht

Es braucht also viele Jahre der Forschung und zahlreiche Arbeitsschritte, bis die Saatkörner fixfertig in der Dose gekauft und ausgesät werden können. Da die Saatgut-Entwicklung so lange dauert, ist die Planung besonders schwierig. «Wir müssen uns überlegen, was der Landwirt in 15 Jahren braucht», erklärt Achim Feger. Zudem bestehen in der Zucht oft negative Korrelationen, wie zum Beispiel zwischen Pilzresistenz und Ertrag.

Die Zucht wird aktuell ziemlich auf die Probe gestellt. In der Zuckerrübenproduktion hat man mit folgenden Herausforderungen zu kämpfen:

  • Steigender Druck an Schädlingen und Krankheiten
  • Herbizidresistenzen beim Unkraut
  • Weniger verfügbare Pflanzenschutzmittel
  • Mechanische Unkrautbekämpfung
  • Vermehrt Trockenheitsperioden

Auf einige dieser Herausforderungen versucht man auch von züchterischer Seite her zu reagieren. So kamen beispielsweise einige vielversprechende Cercospora-tolerante Sorten von KWS und Betaseed neu auf die Sortenliste 2024. Es handelt sich um CR+-Sorten, welche über gute Blattgesundheit und guten Ertrag verfügen.

Somit wurde züchterisch bereits vorgebeugt, falls es künftig auch bei den Zuckerrüben-Fungiziden Einschränkungen geben sollte. Trotzdem ist es wichtig, auch bei diesen Sorten Fungizidbehandlungen durchzuführen. Sonst besteht die Gefahr, dass sich der Pilz evolutionär anpasst und die CR-Toleranz durchbrechen könnte.

Auch die SBR-toleranten Sorten, von welchen vier Sorten im Jahr 2022 auf den Schweizer Markt kamen, bieten neue Möglichkeiten. 

«Ohne Pflanzenzucht bräuchten wir viel mehr Landfläche.»

Achim Feger, Regionaldirektor für Zuckerrüben bei KWS

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«Smart-Sorte»: Die Suchenach der Nadel im Heuhaufen

Mit «Smart-Sorten» den «herbizidfrei»-Beitrag holen

Bei den «Smart»-Sorten kann das Herbizid «Conviso One» eingesetzt werden. Somit können die ursprünglich drei Herbizidsplits auf zwei reduziert werden. Das ermöglicht eine frühe Abschliessung der Herbizidbehandlung.

Wenn die Flächenbehandlung mit Herbizid von der Saat bis zum 4-BlattStadium der Zuckerrübe abgeschlossen wird, dann kann man die Zuckerrüben für den «Beitrag für den Verzicht auf Herbizide im Ackerbau» bei den Direktzahlungen anmelden. Der Beitrag kann ebenfalls angemeldet werden, wenn Herbizid mittels Bandspritzung appliziert und somit maximal 50 Prozent der Fläche behandelt wird. Der «Beitrag für den Verzicht auf Herbizide im Ackerbau» gibt zusätzlich 250 Franken pro Hektare.

Die «Smart-Sorte» stammt ursprünglich aus dem Hause KWS und wurde 2019 auf den Markt gebracht. «Die Entwicklung der Smart-Sorte dauerte 20 Jahre und war die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Es wurde quasi die eine Rübe aller Rüben auf 15 000 Hektaren gefunden, die eine spontane ALS-Inhibitor-Toleranz aufzeigte», erzählt Maik Gertz, Zuckerrüben-Züchter bei KWS.

Die Sorte kann mit reduziertem Herbizideinsatz und dem Herbizid Conviso One angebaut werden. Hier ist es aber wichtig, dass alle Schosserrüben aus dem Feld entfernt werden, sonst wird die Rübe in der Folgekultur zum Unkraut.

Aktuell wird daran gearbeitet, eine Nachfolgelösung für das fehlende Saatgut-Beizmittel «Gaucho» zu finden. Das Neonicotinoid-haltige Beizmittel wurde im Jahr 2019 verboten. Seither tritt die viröse Vergilbung wieder vermehrt auf. Die virusübertragende Blattlaus kann aber bis anhin mittels Blattapplikation von Insektizid noch einfach bekämpft werden.

Nun ist KWS bemüht, ein biologisches Beizmittel mit ähnlicher Wirkung wie Gaucho zu finden. Aber das braucht noch etwas Zeit für die Forschung, da es mit den schwindenden Wirkstoffen nicht einfacher wird.

Abo Die mit SBR befallenen Rüben vergilben und zeigen teilweise Nekrosen bei älteren Blättern. Ganz ähnliche Symptome zeigt auch die Infektion durch die viröse Vergilbung, weshalb die beiden Krankheiten auf den ersten Blick schwierig zu unterscheiden sind. Zuckerrüben «Mit Smart-Sorten in SBR-Befallsgebieten verliert man etwa 1'000 Franken pro Hektare» Sunday, 17. December 2023

Wohin geht die Reise der Sortenentwicklung?

Ausserdem wird an einer herbizidresistenten Zuckerrübe ohne GVO als Nachfolge für Smart-Sorten gearbeitet. Zudem sollen weitere SBR-tolerante Sorten entwickelt werden. Weiter laufen Projekte, um folgende Merkmale züchterisch verbessern zu können:

  • Rübenvergilbungsvirus
  • Stressmerkmale wie Trockenheit
  • Ertragsmerkmale wie Zuckergehalt

Auch sogenannte neue Züchtungstechnologien wie CRISPR/Cas könnten für Zuckerrübenzüchter Maik Gertz neue züchterische Möglichkeiten darstellen. Damit könnten zwei bis drei Jahre in der Sortenentwicklung eingespart werden. Aber hierfür muss zuerst noch der Entscheid der Regierung über die Zulassung abgewartet werden.

Video zur Zuckerrüben-Saatgutproduktion hier