Kurz & bündig

- Das ist die Zukunft: Kleinere Biogasanlage, die weitgehend mit Substrat aus dem eigenen Hof arbeitet.
- Gregor Blattmann verbraucht die Wärme seiner Biogasanlage komplett auf dem Hof.
- Damit ist er ein Vorbild für andere mittelgrosse Betriebe.

Vorbeigefahren ist wohl schon praktisch jeder in der Nähe von Gregor Blattmanns Hof, aber gesehen hat ihn dann doch fast niemand. Er liegt in der Gemeinde Hausen am Albis hoch über jener Kreuzung in Sihlbrugg, wo sich alle Wege zwischen Zug und Zürich und Luzern und Chur kreuzen.

Sein Hof repräsentiert ziemlich genau den Durchschnitt der Schweizer Landwirtschaft: ein Familienbetrieb mit 33 Hektaren Land, 40 Milchkühen und 2000 Hühnern als Elterntiere für die Pouletmast. Und irgendwann werden daraus Bio-Suppenhühner. Insgesamt kommen so auf Blattmanns Hof 80 Dünger-Grossvieheinheiten GVE zusammen.

Eine Grossanlage ist für Blattmann nicht sinnvoll

Energiewirtschaft ist schon lange eine Leidenschaft von Gregor Blattmann. Der heutige Hühnerstall war ursprünglich für die Trutenmast gebaut worden. Nach wenigen Jahren kündigte ihm der Kunde über Nacht die Verträge und er schwor sich danach, immer möglichst unabhängig zu sein – egal von wem und auch bei der Energieversorgung.

Deshalb gibt es seit 2015 eine Photovoltaik-Anlage mit einer Maximalleistung von 320 Kilowatt. Eine Biogasanlage war schon lange in Planung, so lange, dass sie noch die jetzt nicht mehr verfügbare Förderung der KEV, der kostendeckenden Einspeisevergütung, erhält. Allerdings stiess Gregor Blattman bei der Planung auf immer mehr Schwierigkeiten. Zu Beginn hatte er eine sehr grosse Biogasanlage geplant, in der Annahme, dass sie nur so wirtschaftlich zu betreiben sei.

Die ursprünglich geplante Anlage hätte denn auch etwa 7000 bis 8000 Tonnen Substrat jährlich gebraucht, das aus anderen Höfen oder auch aus der Lebensmittel verarbeitenden Industrie zugeführt hätte werden müssen. «Dafür wären fast täglich Lastwagenfahrten nötig gewesen und das kann nicht der Sinn der Sache sein», erzählt er.

Und vor allem wäre es wieder eine neue Abhängigkeit gewesen. Denn noch vor ein paar Jahren waren kompostierbare und in Biogasanlagen vergärbare Abfälle im Überfluss vorhanden. Doch mittlerweile gibt es sehr viele Anlagen. Das Substrat ist nicht mehr Abfall, sondern Wertstoff und hat einen Preis. Das hätte die Wirtschaftlichkeit in Frage gestellt.

Gregor Blattmanns Biogasanlage ist steuerbar

Das Resultat dieser Überlegungen war eine viel kleinere Anlage. Sie ist jetzt noch ausgelegt auf 2000 Kubikmeter Gülle und 150 Tonnen Mist. Theoretisch dürfte er noch 20 Prozent externes Material zuführen, 400 Tonnen – kein Vergleich mit den gigantischen Mengen der ursprünglich geplanten Anlage.

Inzwischen wurde er von einem lokalen Pferdebetrieb angefragt, ob er Mist abnehmen könne und auch die Kaffeerösterei im Dorf möchte ihm Substrat bringen. Das Material ist durchaus willkommen, sollte aber nicht zwingend nötig sein wie im ersten Geschäftsmodell: «Langfristig will ich mit der eigenen Biomasse Energie erzeugen», sagt Gregor Blattmann.

Die Anlage produziert derzeit 500 Kilowattstunden (kWh) Strom täglich und 1000 kWh Wärme, wobei die Hälfte der Wärme gebraucht wird, um den Fermenter zu heizen, damit das Gärgut überhaupt schnell genug Gas liefert. [IMG 4]

Verbrannt wird das Gas in einem 50 kW-Gasmotor. Ein finnischer Sisu-Motor, wie er auch in modernen Traktoren steckt, adaptiert auf den im Vergleich zu Erdgas tieferen Methananteil von Biogas.

Die Biogasanlage und Blattmanns grosse Solaranlage ergänzen sich ideal. So läuft der Gasmotor auch bei schlechtem Wetter, wenn die Solaranlage wenig Strom liefert. Denn die Kapazität der Stromleitung, über die er den Solarstrom ins Netz einspeist, ist begrenzt.

Deshalb könnte Gregor Blattmann an schönen Tagen nicht noch zusätzlich Strom einspeisen. Er kann aber seine Stromproduktion dank der Speicherbarkeit des Gases anpassen. Mit der Biogasanlage produziert er auch in der Nacht Strom. Die anfallende Wärme speichert er in einem 30 000 Liter fassenden Jenni-Solarspeicher, gross wie ein Futtersilo, und auf einem Bauernhof genauso unauffällig. [IMG 7]

Nichts fällt auf, nichts riecht bei der unscheinbaren Anlage

Gregor Blattmann zeigt stolz den Fermenter, das Herzstück der Anlage, in dem man durch kleine Schaugläser den Rührwerken bei der Arbeit zusehen kann. Es ist ein unscheinbares Gebäude – nichts fällt auf, nichts riecht. Denn Geruchsemissionen bedeuten immer auch verlorene Energie. Genau das will man ja nicht. [IMG 8]

Die produzierte Wärme braucht Gregor Blattmann komplett auf dem Hof – für die Heizung des Wohnhauses und der Nebengebäude und vor allem für den Hühnerstall. Jedes bisschen Biogas ersetzt hier Heizöl oder Erdgas. Die Wärmeproduktion würde ausreichen, um etwa zehn moderne Einfamilienhäuser zu heizen.

Die Anlage hat damit einen doppelten ökologischen Effekt. Auf der einen Seite ersetzt sie fossile Energie wie Heizöl und Erdgas. Auf der anderen Seite verhindert sie, dass das brennbare Methan, aus dem Biogas hauptsächlich besteht, ungenutzt in die Atmosphäre entweicht. Methan ist ein sehr viel potenteres Treibhausgas als CO2 und deshalb ist es entscheidend, dass es abgefangen wird.

Tüftelnde Landwirte aus der ganzen Schweiz machen die Anlage möglich

Das Konzept der kleinen Biogas-Hofanlage stammt von Niklaus Hari und Pius Allenbach von der Firma Haral GmbH in Reichenbach im Kandertal und ist in ihrer Ganzheit das Produkt von tüftelnden Landwirtinnen und Landwirten.

[IMG 5] Die einen brüteten über Fermenter, die anderen über den idealen Speichergrössen, wieder andere schrieben Steuerungsprogramme oder zerbrachen sich den Kopf zu den behördlichen Zulassungskriterien. Gerade das war immer wieder schwierig. Denn die geltenden Vorschriften sind gemacht für Grossanlagen, wie Gregor Blattmann sie ursprünglich geplant hatte.

Für kleinere Systeme sind sie unpraktisch oder schwieriger umzusetzen und sehr kostentreibend. So hätte Blattmann eine fest installierte Gasfackel erstellen müssen, für den Fall, dass der Gasmotor einmal aussteigt, um das überschüssige Methan abbrennen zu können.

«Ich will möglichst von niemandem abhängig sein und meine Energie selber produzieren.»

Landwirt Gregor Blattmann

Für eine grosse Anlage mit sehr viel fremdem Substrat ist das sinnvoll. Aber bei Gregor Blattmanns Anlage wäre das unverhältnismässig. Er konnte sich dann auch mit den Behörden auf einen Heizungs-Gasbrenner einigen, der den Speicher laden würde: Eine deutlich sinnvollere Lösung als die Gasfackel.

Einer der wichtigsten Treiber hinter der energetischen Revolution auf mittelgrossen Familienbetrieben ist Andreas Mehli, der bekannte Landmaschinenhändler und Energiepionier in Chur. Zusammen mit seinem Team hat er den Firmensitz in der Churer Rheinmühle und den ehemals elterlichen benachbarten Hof zu einem grossen Energie-Experimentierfeld ausgebaut.

In ihrer Kuhrerhof AG wollen sie in einem Innovationspark erneuerbarer Energien im Massstab 1:1 zeigen, wie Energieautarkie auf einem Hof geht und wie landwirtschaftliche Betriebe, aber auch Käsereien, Brauereien oder Lebensmittelverarbeiter das, was man früher «Abfälle» nannte, zu Energie weiterverarbeiten können.

Wenn Landwirte Gas abfangen, reicht das schon

Andreas Mehli sagt: «Gregor Blattmann ist einer extrem guten Lage, weil er praktisch die ganze Energie selber brauchen kann. Aber viele Bauern können das gar nicht. Sie haben niemals einen so grossen Wärme- und Stromverbrauch.»

Für solche Betriebe lohnt sich deshalb die Investitionen nicht immer und oft sind die elektrischen Leitungen nicht gross genug dimensioniert, um allen Strom einspeisen zu können. Ein Ausbau dieser Leitungen lohnt sich zudem oft nicht. Damit bleibt aber auch ein grosses Energiepotenzial ungenutzt.

«Eigentlich hat der Bauer bereits einen grossen Beitrag geleistet, wenn er das Biogas auf seinem Hof produziert und damit klimaschädliche Emissionen verringert», sagt Andreas Mehli. «Für alles andere hat er oft keine Zeit und Möglichkeiten.»

Denn nicht jeder ist in der Lage, so viel Aufwand und Leidenschaft in seine Energietechnik zu stecken wie Gregor Blattmann. Der sieht sich denn auch als Wegbereiter und «Spurbob» für andere.

So hat er die Behördenvertreter seines Kantons auf seinen Hof eingeladen, um ihnen diese Art der dezentralen Gewinnung erneuerbarer Energie näherzubringen. Er erhofft sich davon, dass damit für nachfolgende Projekte anderer Landwirte das Bewilligungsverfahren schneller abläuft. [IMG 6]

Andreas Mehlis Vision: Eine Sammeltour für Gas

Für all jene, die nicht so weit gehen wollen wie Gregor Blattmann, hat Andreas Mehli, neben seinen unterschiedlichen Biogas-Containern und Energiesystemen eine andere Vision: Das produzierte Gas wird auf dem Hof nur vorverdichtet.

Dies geschieht in bereits tausendfach bewährten Gasdruckspeichern. Mit einem mobilen Kompressionssystem könnte man dann regelmässig das Gas bei den Landwirten abholen und zu grösseren Verbrauchern bringen, ähnliche wie früher die Milchtouren zu den Molkereien organisiert waren.

Das würde Investitionen in Biogasanlagen massiv reduzieren, würde grössere Anlagen an Orten mit grossem Strom – und Fernwärmeverbrauch favorisieren und könnte viel mehr Landwirte mit wenig Aufwand ins Biogas-System mit einbeziehen.

Zudem würde es möglich, viel mehr Biogas für das Gasnetz zu produzieren, weil sich nur bei Grossanlagen die komplette Aufbereitung für das Erdgasnetz lohnt. Andreas Mehli will dafür schon bald ein Pilotprojekt aufgleisen.

Doch sobald der Wärmeverbrauch ohnehin so hoch ist wie bei Gregor Blattman und auch eine genügend starke Stromleitung vorhanden ist, ist eine Gasnutzung vor Ort eine hervorragende Idee. Die Schweiz hat das Potenzial für mehrere Tausend solcher Anlagen. Das produzierte Gas würde effizient genutzt und die Klimagas-Emissionen aus der Landwirtschaft würden deutlich reduziert.

Die Voraussetzung für jede Biogasanlage ist: Die Gülle muss möglichst pansenfrisch in den geschlossenen Fermenter gelangen. «In den ersten zwei Wochen verlieren wir bereits bis 25 Prozent der Energie, in drei Monaten sogar bis zur Hälfte», sagt Andreas Mehli. Pioniere wie Gregor Blattmann und Andreas Mehli zeigen, wie es geht. Sie laden andere Land-wirte ein, ihrem Beispiel zu folgen und von ihrer Vorarbeit zu profitieren.

Betriebsspiegel der Familie Blattmann
Gregor Blattmann, Sihlbrugg

LN: 33 ha
Kulturen: Grünlandbetrieb
Tierbestand: 40 Milchkühe, 2000 Elterntiere für Pouletmast
Weitere Betriebszweige: Direktvermarktung und Energieproduktion
Arbeitskräfte: Gregor und Marlis Blattmann, 1 Teilzeitangestellte, Familienmitglieder