Die Landwirtschaft ist immer noch zu einem Grossteil für die Einträge von Pflanzenschutzmitteln (PSM) in Oberflächengewässer verantwortlich, vor allem in kleinen bis mittelgrossen Bächen.
Bis anhin fokussierten sich die obligatorischen Massnahmen vorwiegend auf die Verhinderung direkter PSM-Einträge in Gewässer. Beispielsweise mit Pufferstreifen entlang von Gewässern.
Urs Schönenberger, Postdoktorand der Abteilung Umweltchemie bei der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) in Dübendorf ZH erforschte nun, welches die Haupteintragsquellen von Pflanzenschutzmitteln in Oberflächengewässer sind.
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Einlaufschächte sind wichtige PSM-Eintragsquellen
Urs Schönenberger hat innerhalb seiner Doktorarbeit an der Eawag herausgefunden, dass Einlaufschächte ein wichtiger Eintragspfad von Pflanzenschutzmitteln sind. Einlaufschächte dienen der Sammlung und Ableitung von Regenwasser entweder über Kläranlagen oder direkt in nahe gelegene Bäche.
Gemäss einer Feldkartierung gibt es pro Hektare Landwirtschaftsland durchschnittlich 0,8 Einlaufschächte, also ziemlich viele. 80 Prozent davon liegen auf befestigten Strassen, aber auch an Wegen direkt neben einem Acker. In beiden Fällen sind es PSM-Eintragswege:
- Einerseits können PSM durch Überspritzen der Schächte direkt ins Wasser gelangen. Denn die meisten Einlaufschächte werden direkt ungefiltert in nahegelegene Bäche entwässert.
- Andererseits können Pflanzenschutzmittel via Abdrift oder Tropfen auf die Strasse gelangen. Beim nächsten Niederschlag werden angetrocknete Pflanzenschutzmittel via Regenwasser von der Strasse in nahegelegene Schächte gespült.
Dies kann auch bei der Abschwemmung eines hanglagigen Feldes passieren. Strassen können dann wie Kanäle wirken, indem sie das Wasser sammeln und zum nächsten Schacht leiten. So fliessen Pflanzenschutzmittel auch über weite Distanzen in Gewässer.
Kurz & bündig
- Einlaufschächte und Anwendungsfehler bilden wichtige PSM-Eintragsquellen in Gewässer.
- Pyrethroide und Organophosphate sind für 60 Prozent des Gewässer-Risikos durch PSM verantwortlich.
- Diese Wirkstoffe werden erst seit 2018 regelmässig gemessen.
Der Pyrethroid-Nachweis ist erst seit Kurzem möglich
In einer Studie der Eawag in Zusammenarbeit mit der VSA-Plattform «Wasserqualität» und dem Ökozentrum wurden sechs Bäche untersucht. Das Resultat: Fünf von sechs Bächen wiesen eine deutliche Überschreitung der Qualitätskriterien auf.
Probleme durch PSM-Einträge entstehen vor allem in den kleinen und mittelgrossen Bächen.
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Pyrethroide und Organophosphate gelten als besonders kritisch in Bezug auf ihre Giftigkeit. Sie machen zwar lediglich 1 Prozent aller eingesetzten Pflanzenschutzmittel in der Schweiz aus. Dafür sind sie für 60 Prozent des Gewässer-Risikos verantwortlich, das durch Pflanzenschutzmittel verursacht wird. Durch die hohe Giftigkeit sind sie bereits in kleinsten Konzentrationen schädlich für Wasserorganismen. Pyrethroide und Organophosphate können von den kantonalen Gewässerschutzlaboren aber erst seit 2018 routinemässig in Kleinstkonzentrationen (Pikogramme = Billionstel Gramm pro Liter Wasser) nachgewiesen werden.
1 Tropfen unverdünntes Cypermethrin oder 2 dl Spritzbrühe reichen aus, um einen Bach von 1 m Breite und Tiefe auf 10 km zu verunreinigen. Das heisst, der akute Grenzwert wird kurzzeitig überschritten. Cypermethrin ist ein Insektizid, also ein Nervengift, das über Kontakt wirkt und in die Gruppe der Pyrethroide gehört. Es wird unter anderem im Raps gegen den Erdfloh und Stängelrüssler eingesetzt. [IMG 5]
Dabei wurden in Schweizer Gewässern regelmässig Grenzwertüberschreitungen festgestellt. Daher wurden Organophosphate in der Schweiz bereits verboten. Pyrethroide sind ab dem Jahr 2023 im ÖLN verboten und dürfen nur noch mit einer Sonderbewilligung eingesetzt werden.
Dieses Verbot wird stark diskutiert. Denn ein Grossteil der in der Parlamentarischen Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» (1) für den ÖLN verbotene Insektizide sind Pyrethroide, die gegen den Rapserdfloh und Rapsstängelrüssler eingesetzt werden. Das grosse Problem ist aber, dass zu wenig zuverlässige Alternativen im Kampf gegen die Schädlinge existieren.
Einträge von Pflanzenschutzmittel verhindern
Trotz Verboten von sehr giftigen Pflanzenschutzmittel können auch weniger giftige Mittel verheerende Folgen haben. Schönenberger empfiehlt die folgenden Massnahmen:
- Reduktion der Abschwemmung in Einlaufschächte (z.B. durch Pufferstreifen an Strassen entlang)
- Reduktion von Einträgen durch unsachgemässe Handhabung(z.B. keine Strassen und Schächte überspritzen).
- Reduktion von Abdrift(z.B. durch driftmindernde Düsen oder Pufferstreifen)
- Zusätzliches Abdecken von Schächten kann sinnvoll sein.
Dazu hat der Kanton Aargau im Jahr 2021 die «Aktion Schachtdeckel» ins Leben gerufen. Bis Ende 2021 wurden über 4800 offene Schachtdeckel durch komplett geschlossene ersetzt. Das betrifft 55 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Kanton Aargau. (2)
Bei einer Schachtabdeckung wie unten im Bild könnten theoretisch immer noch Pflanzenschutzmittel beim direkten Überspritzen des Schachtes via Niederschlag in die Gewässer gelangen. Durch abgedeckte Schachtdeckel wird die Eintrittsoberfläche aber stark verkleinert, was direkte Einträge verhindert.
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Auch Arzneimittelrückstände in Schweizer Gewässern
Nebst PSM-Rückständen werden in den Schweizer Gewässern auch Arzneimittel-Rückstände gefunden. Die Arzneimittel-Verschmutzung ist vorwiegend in grossen Bächen und Flüssen ein Problem. Denn Kläranlagen werden vor allem in grössere Gewässer geführt, wobei es bei den meisten Anlagen noch nicht möglich ist, die Arzneimittel- und PSM-Rückstände herauszufiltern.
Für die Grenzwertüberschreitung durch Arzneimittel in Gewässer ist häufig Diclofenac verantwortlich, ein Wirkstoff in Schmerzmitteln wie zum Beispiel Voltaren.
Für die Reduktion von Rückständen wird deshalb nicht nur bei den Landwirten angesetzt, sondern auch bei den Kläranlagen. Dazu werden bis 2040 gezielt alle grossen Kläranlagen mit zusätzlichen Reinigungsstufen ausgerüstet.
Quellen
(1) Parlamentarische Initiativewww.dgrn.ch/parl-initiative
(2) Medienmitteilung Kanton Aargau