Kurz & bündig
-2024 war auch für Sammelstellen ein Ausnahmejahr.
-Bei der Wirth Getreide AG trifft alte Infrastruktur auf moderne Verkabelung.
-Die Digitalisierung hilft aber nur bedingt gegen wachsenden administrativen Aufwand.

Ende August ist Ruhe eingekehrt in der Sammelstelle Wirth Getreide AG in Suberg BE. Aber die beiden Inhaber Hanspeter Lauper und Andreas Minder sind sich einig: 2024 war eine heftige Saison. Und sie ist noch nicht zu Ende.

Denn jetzt sind Lauper und Minder zusammen mit ihren beiden Angestellten Adrian Keller und Urs Lauper darum bemüht, die eingelagerte Ware zu reinigen, bestmöglich aufzubereiten und zu vermarkten.

Sieht aus wie ein Covid-19-Test, misst aber DON

Eine Beobachtung: Zu hohe Saatdichten rächen sich. Spurensuche in der Sammelstelle Welche Faktoren sorgten für die schlechte Getreideernte 2024? Friday, 8. November 2024 «Normalerweise nehmen wir über 250 Tonnen pro Tag an», schildert Urs Lauper, «heuer waren es nur 100 Tonnen.» Das lag nicht in erster Linie daran, dass die Ernte mengenmässig kleiner ausfiel. Vielmehr entstand durch die verbreitete Mykotoxin-Problematik ein enormer Mehraufwand.

Man sehe dem Posten eine Mykotoxin-Belastung meistens an, sagt Adrian Keller, «aber natürlich nicht den genauen Gehalt.» Um den zu bestimmen, kamen Tests für Deoxynivalenol (DON) zum Einsatz, die äusserlich stark an die vor einigen Jahren gebräuchlichen Covid-19-Tests erinnern.

Vom angelieferten Getreide in der Gosse wird automatisch beim Transport in die Reinigungsanlage alle 80 kg eine kleine Probe genommen; eine Handvoll Körner rieselt in einen Kessel. In der als Labor eingerichteten Ecke der Sammelstelle steht eine kleine Mühle bereit, die eine Mischprobe des jeweiligen Postens verarbeitet.

Mit diesem Mehl bestimmt Urs Lauper bei Brotweizen die Fallzahl: Sie gibt an, wie lange ein spezieller Stab braucht, um durch einen mit Wasser angerührten Teig zu fallen.

Fünf Gramm des Probenmehls dienen ausserdem dem DON-Test. Der äusseren Ähnlichkeit zum Trotz ist er um einiges aufwendiger in der Durchführung als ein Covid-Test. Urs Lauper löst die abgewogene Mehlprobe in destilliertem Wasser, schüttelt sie 30 Sekunden lang, lässt das Pulver absinken, pipettiert nach etwa fünf Minuten etwas von der Flüssigkeit in ein Proberöhrchen. Weiter geht es in einer kleinen Zentrifuge, bis endlich nach erneutem Mischen mit der Pipette ein Tropfen Probe auf den DON-Test gegeben werden kann.

«Für Holzschnitzel zum Heizen müssten wir ein ganzes Silo reservieren.»

Hanspeter Lauper, Wirth Getreide AG

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Messen mit Smartphone stellt Ansprüche an Standardisierung

«Bei der anschliessenden digitalen Bildauswertung des Tests mit dem Smartphone sind die Lichtverhältnisse sowie der Kameraabstand entscheidend», bemerkt Hanspeter Lauper. Daher verwendete sein Team eine Eigenkonstruktion, um ein Smartphone im vom Testhersteller angegeben Abstand platzieren zu können.

Eine App gibt nun Auskunft über den DON-Gehalt der Probe. «Die Materialkosten für den Test belaufen sich auf 30 Franken pro Stück», sagt Hanspeter Lauper. Mit dem nötigen Zeitaufwand schlage jeder mit 45 bis 50 Franken zu Buche. Insgesamt habe allein die Testerei in der Wirth Getreide AG in diesem Jahr etwa 9000 Franken gekostet.

Das «Verdünnen» von mit Mykotoxinen belasteten Posten mit sauberen ist verboten, der Sammelstelle sind in solchen Fällen die Hände gebunden. Es bleibt nur, verseuchte Ware als Futtergetreide auszuweisen und separat zu lagern – oder bei sehr hohen Werten den Posten zu entsorgen.

Anders sieht es bei zu tiefem Hektolitergewicht (HL) aus. «Bei allem Getreide, vor allem aber bei der Gerste, war das HL heuer sehr tief, zum Teil zu tief», erzählt Adrian Keller. «Aber wir wollen den Landwirten ja nicht sagen, sie sollen die Ware wieder nach Hause nehmen.» Die Alternative ist die Aufwertung innerhalb der Sammelstelle, sei es für Getreide, Eiweisserbsen, Raps oder Mais.

Qualitäten ausgleichen: «Ein Fehler bedeutet Schaufeln»

Es ist eng in der eckigen, langgezogenen Kammer, in der Adrian Keller die Schieber zweier Lagerzellen öffnet. Eine dicke Staubschicht bedeckt die zwölf Röhren, die hier auf ein Förderband münden. «Ich habe in diesen zwei Zellen Eiweisserbsen und Ackerbohnen mit unterschiedlichen Qualitäten vorbereitet», erklärt Keller.

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Anders als in der Küche kann man in der Sammelstelle angesichts der Dimensionen mit hunderten Tonnen Material nicht einfach zwei Schraubgläser öffnen, den Inhalt in eine Schüssel geben und umrühren. Fürs Auf-bereiten braucht es Planung und Erfahrung.

«Ein Fehler bedeutet Schaufeln, respektive es entstehen Verluste», bemerkt Adrian Keller augenzwinkernd. Wenn während der Saison die Zeit drängt, die geladenen Anhängerzüge vor der Gosse stehen und sommerlich hohe Temperaturen herrschen, ist Schaufeln wahrlich keine Freude.

Gut hörbar rasseln die Erbsen und Bohnen unter dem Boden der Laborecke in Richtung Reiniger. «Je nach Ware beziehungsweise HL können wir bis zu 30 Tonnen pro Stunde befördern», erläutert Adrian Keller.

Die Trennung der Posten bei der Annahme ist zentral, um die Aufbereitung überhaupt durchführen und zu tiefe HL oder Trockengehalte korrigieren zu können. Im Reiniger wird die Ware über ein grosses Sieb geschüttelt und so nach Grösse sortiert.

Je nach Kultur sind die Lochgrössen anders – ein weiterer Grund, warum die Anlieferung gut geplant werden sollte: Das Wechseln der Siebe erfolgt manuell und kostet wieder Zeit. Gewichtsmässig leichte Verunreinigungen wie Spelzen bläst ein Ventilator weg. Nach der Reinigung nach Gewicht und Grösse geht es an die genauere Analyse der Qualitätsparameter.

Standardmässig wird nur der Mais getrocknet

Feuchte, Proteingehalt und HL werden mit einem Nahinfrarot-Gerät (NIR) gemessen. «Für jede Kultur kalibrieren wir das Gerät mit genormten Daten und vergleichen laufend mit jenen aus dem Trockenschrank», sagt Urs Lauper und deutet auf einen kleinen Kasten.

Darin lässt sich Mehl bei 230 Grad vollständig trocknen, der Gewichtsunterschied zum Ausgangsmaterial zeigt den exakten Feuchtigkeitsgehalt. «Das dauert aber 1,5 Stunden», gibt Lauper zu bedenken. Die Messung mit NIR ist im Gegensatz dazu innert Minuten erledigt. Im Fall der Erbsen zeigt sich, dass der TS-Gehalt noch zu hoch ist – sie werden noch eine weitere Runde durch die Sammelstelle drehen müssen.

Wann immer möglich, homogenisiert die Wirth Getreide AG verschiedene Posten, um die Ansprüche der Abnehmer zu erfüllen. So wird etwa in diesem Jahr ein Klassenmix von Brotgetreide verkauft, um backfähige Ware anbieten zu können.

Trocknen sei zeit- sowie energieaufwendig und entsprechend teuer, weshalb es nur beim Mais zum Standardverfahren gehört. «Mais müssen wir trocknen, damit er lagerbar ist», erklärt Hanspeter Lauper. Die beiden Trockner der Sammelstelle werden mit Öl betrieben. «Für Holzschnitzel zum Heizen müssten wir ein ganzes Silo als Lagerraum reservieren», so Lauper.

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Analog auf der Tafel, aber auch steuerbar auf dem Bildschirm

Qualitäten, Klassen, Labels, Brot- und Futterweizen, verschiedene Kulturen – alles muss in separate Lagerzellen. Und dabei gilt es, den Überblick zu behalten. Auf einer Tafel sind alle Zellen der Wirth Getreide AG aufgezeichnet, inklusive Lagervolumen und aktuellem Inhalt.

Gleich daneben gibt es das Ganze digital. Diese Übersicht ist neu und umfasst auch alle Verbindungsröhren, Weichen und Regler, mit denen sich der Warenfluss steuern lässt. «Wir hatten einen grösseren Nagerschaden an der Elektrik und nahmen die Reparaturarbeiten zum Anlass, alles zu modernisieren», sagt Hanspeter Lauper. Innert zwei Monaten seien sieben Kilometer Kabel verlegt worden.

Dank dieses Aufwands lassen sich die meisten Klappen und Schieber jetzt vom Computer aus bedienen und man sieht auf einen Blick, ob sie offen oder geschlossen sind. «Früher musste man im Zweifelsfall kurz rüberrennen und nachsehen gehen», erinnert sich Adrian Keller. Nur Füllstandsanzeiger fehlen noch. Diese Technik tut sich schwer mit dem Staub, der sich in der Sammelstelle schnell über alles legt.

Die Verkabelung und Automatisierung ist Hightech und bringt einen interessanten Kontrast in die gut 50-jährige Sammelstelle. Hanspeter Lauper öffnet eine Reihe von Stahlschränken, in denen Hunderte Kabel münden und jeder Stecker beschriftet ist. Als gelernter Landmaschinenmechaniker und Fachlehrer hat Lauper viel Ahnung von Mechatronik und versteht den – wohlgeordneten – Kabelsalat, der da vor sich hin blinkt. «Das Elektroschema umfasst gut 430 Seiten», bemerkt er.

Ziel des Ganzen sei mehr Effizienz, auch in Sachen Energieverbrauch, sowie eine hohe Betriebssicherheit. «Das ist wie bei einem Melkroboter oder einem modernen Traktor», erklärt Lauper. Nur dass es solche Lösungen angesichts der sehr unterschiedlichen Sammelstellen in der Schweiz und deren vergleichsweise kleinen Anzahl nicht ab Stange gibt.

«Früher gab es noch einen Zettel, auf dem alles notiert wurde»

Abo Sammelstellen können selbst oder gebündelt via Fenaco vermarkten. Vermarktung Nach der Ernte gilt es, das Getreide im richtigen Moment zu verkaufen Monday, 11. November 2024 Die Digitalisierung hat auch bei der Dokumentation Einzug gehalten. Jede Bewegung von einer Lagerzelle zur anderen, durch den Reiniger oder Trockner oder irgendwann in den Lastwagen eines Abnehmers wird im «Silojournal» festgehalten. «Früher gab es noch einen Zettel, auf dem man alles notiert hat», schildert Adrian Keller.

IT-Erfahrung für den digitalen Papierkram

Zurück zur Mehlprobe: Das Resultat des DON-Tests lässt sich Urs Lauper vom Analyse-Smartphone per Mail schicken – es ist auch Teil der umfassenden Dokumentation jedes Postens. Dieser wird als Brotweizen durchgehen, sagen die Zahlen auf dem Display. «In der Sammelstelle hat der administrative Aufwand deutlich zugenommen – vielleicht noch mehr als auf den Landwirtschaftsbetrieben», sagt Hanspeter Lauper.

Die Wirth Getreide AG hat daher in Teilzeit einen weiteren Angestellten mit IT-Erfahrung, der beim digitalen Papierkram unterstützt. Eine spezialisierte Ausbildung für die Arbeit in einer Sammelstelle gibt es nicht. «Man muss bei der Annahme sehen, was es braucht», findet Adrian Keller. Trotz aller PC- und Laborarbeit bleibe es ein Handwerk.