Kurz & bündig
- In Sachen Tierwohl und Tiergesundheit sind Kompostierungs- bzw. Waldbodenställe durch den trockenen, trittfesten Untergrund eine gute Alternative zum Boxenlaufstall.
- Unsichere Materialverfügbarkeit und höhere Kosten pro Kuh und Jahr sind allerdings der Preis, der für den erhöhten Tierkomfort gezahlt werden muss.
- Auch das Management der Einstreuflächen in Kompostierungs- und Waldbodenställen sind für LandwirtInnen eine Herausforderung.
Im Talgebiet haben sich Boxenlaufställe in der Rinderhaltung als Aufstallungssystem durchgesetzt», sagt Christof Baumgartner, Berater und Leiter Beratung Milchproduktion am Arenenberg, dem Kompetenzzentrum für die Landwirtschaft im Kanton Thurgau.
Dennoch wird viel experimentiert und es lohnt sich, Alternativen zum klassischen Boxenlaufstall unter die Lupe zu nehmen. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Kompostierungsstall. «Davon gibt es, denke ich, aber immer noch weniger als 100 in der Schweiz.»
Grosser Vorteil beim Tierwohl in den Kompostierungsställen
Ein grosser Vorteil der Kompostierungsställe spiegelt sich im Tierwohl wider. Die Rinder können auf dem weichen Untergrund artgerechte Liegepositionen einnehmen, zum Beispiel in voller Seitenlage. Sie weisen weniger Technopathien und Lahmheiten auf, haben Bewegungsfreiheit und eine sehr gute Klauengesundheit.
Ein kritischer Punkt bei den Kompostierungsställen ist die Einstreuverfügbarkeit. «Wenn jetzt 1000 Betriebe auf Kompostierungsställe um-stellen würden, dann hätten wir echt ein Problem», so Baumgartner. Die gängigen Substrate, die sich als Einstreu in Kompostierungsställen eignen, seien Dinkelspelzen, Sägemehl oder trockenes Feinholz wie zum Beispiel Siebabgang aus der Hackschnitzelproduktion.
Die Beschaffung sei bereits jetzt in manchen Regionen ein Kampf. «Viele Landwirte mit einem Kompostierungsstall sind aus diesem Grund auch eher zurückhaltend mit Werbung für das System», berichtet der Berater. Man sei auf der Suche nach alternativen Materialien. Eine Idee sei es, Resthölzer, die sich nicht für die Hackschnitzelproduktion eignen, auf dem Betrieb selbst zu hacken. Das Restholz liegt bei etwa Fr. 10.– bis Fr. 12.– pro m3 – ein Pluspunkt, denn die Kosten für das bisher verwendete Einstreumaterial sind nicht zu unterschätzen.
Mehrkosten von 200 Franken pro Kuh und Jahr
«Etwa 20 Franken pro Kubikmeter Sägemehl muss man kalkulieren und man ist in direkter Konkurrenz zu den Holzpellet-Werken», sagt Baumgartner. Etwa 15 m3 pro Kuh und Jahr werden benötigt. «Dann sind wir bei 300 bis 350 Franken pro Kuh und Jahr. Stroh kostet etwa 100 Franken pro Kuh und Jahr.» Mehrkosten von 200 Franken pro Kuh und Jahr sind also nicht zu unterschätzen.
Vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit müssen sich also LandwirtInnen fragen, ob der erhöhte Tierkomfort, der zweifelsohne mit dem Kompostierungsstall einhergeht, 200 Franken extra pro Kuh und Jahr wert ist.
Ein weiterer Punkt in Sachen Wirtschaftlichkeit sind die Baukosten. Für einen Kompostierungsstall ist zwar einerseits weniger Stalleinrichtung nötig, andererseits ist aber der Flächenbedarf höher. Pro Kuh werden 10 bis 12 m2 Liegefläche plus 4 bis 6 m2 Wegefläche benötigt. Ein normaler Boxenlaufstall muss mindestens 10 m2 aufweisen, meist hat er aber etwa 12 m2 Platz pro Kuh.
Kompostierungsställe brauchen weniger Güllelagerraum
Güllelagerraum wird allerdings weniger benötigt beim Kompostierungsstall. «Das fällt schon ins Gewicht, denn Kosten für Tiefbauarbeiten sind in der Schweiz massiv teurer geworden», sagt Christof Baumgartner. Gesetzlich brauche es beim Kompostierungsstall etwa ein Drittel weniger Güllelagerfläche im Vergleich zum Boxenlaufstall. «In der Realität fallen aber eher 50 Prozent weniger Gülle im Kompostierungsstall an. Viele Landwirte, die einen klassischen Boxenlaufstall neu bauen, bauen mehr Gülleraum, als sie eigentlich müssen, um einen bereits im Januar vollen Keller und eine Notausbringung vermeiden zu können. Das müssen LandwirtInnen mit Kompostierungsstall nicht. Sie können sich eher an das gesetzliche Minimum halten. Das birgt ein grosses Einsparpotenzial», erzählt der Berater.
Aus finanzieller Sicht interessant sind Betriebe, die umbauen oder erweitern möchten, ohne dass zusätzliche Güllekeller gebaut werden müssen. «In einem solchen Fall kann bei den Baukosten richtig gespart werden», so Baumgartner.
Das Management der Matte ist aufwendig und anspruchsvoll
Hat sich ein Betrieb für einen Kompostierungsstall entschieden, steht und fällt der Erfolg mit dem richtigen Management der «Matte». Der Trockensubstanzanteil der Matte muss ausreichend hoch sein, damit die Mikroben aerob, also unter Zufuhr von Sauerstoff, arbeiten können, um Wärme zu bilden. Durch die mikrobiell gebildete Wärme kann somit Feuchtigkeit durch Kot und Urin abtrocknen.
Es braucht drei Komponenten – Kohlenstoff (C), dieser ist im Einstreumaterial enthalten, Stickstoff (N), der im Urin enthalten ist, und eben den Sauerstoff (O2), den man durch die Bearbeitung der Matte einbringt. «Wenn diese aber zu nass wird, dann kann der Sauerstoff nicht mehr in die Prozesse einwirken, die Matte kühlt ab und das Milieu wird immer feuchter», sagt Baumgartner. Der kritische Wert für die Temperatur der Matte liegt bei mindestens 25, lieber aber über 30 Grad.
Gerade im Winter muss aus diesem Grund mehr Material auf die Fläche gebracht werden, als für den Kompostierungsprozess eigentlich notwendig ist. Dabei ist das Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis (C:N) der Knackpunkt. Je enger das Verhältnis der beiden Stoffe zueinander, desto besser ist die Düngewirkung.
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«Im Winter wird oft zu wenig und zu spät eingestreut.»
Christof Baumgartner, Arenenberg
«Ende Winter, wenn viel Material auf die Fläche gebracht wurde, landet man dann bei einem C:N-Verhältnis von deutlich über 40:1. Für eine gute Düngewirkung bei der Ausbringung auf Feld wäre 25:1 oder noch tiefer besser. Aber das ist sehr anspruchsvoll», erklärt Baumgartner.
Betriebe, die über genügend Platz verfügen, können das Material über das Frühjahr und den Sommer hinweg im Stall lassen. Im August erreicht das Kompostmaterial dann einen Wert von etwa 25:1. Viele Betriebe müssen aber aus Platzgründen im März einen Teil ausräumen. Auch dort merke man eine gute, langsame Düngewirkung, obschon der C:N-Wert nicht ideal sei.
«Das Material hat einen hohen pH-Wert, von einer Bodenversauerung kann man definitiv nicht sprechen. Es gibt Betriebe, die ihr Substrat an Hobbygärtner verkaufen. Und manchen davon gelingt es, mit den Verkaufseinnahmen die Kosten für ihr Einstreumaterial zu decken», erzählt der Berater. Sicher spiele dabei aber die Lage eine wichtige Rolle.
Im Winter braucht der Kompostierungsstall viel Aufmerksamkeit
Auch beim Arenenberg gebe es einen Kompostierungsstall, mit dem man gute Erfahrungen gemacht habe, berichtet Baumgartner. In Sachen Tierwohl hält das System, was es verspricht.
Die Tiere sind gesund und zeigen ein hervorragendes Abkalbeverhalten. Im ersten Betriebsjahr habe man noch ohne Ventilator im Stall gearbeitet. «Die Installation der Ventilatoren war dann aber ein wichtiger Schritt, um die Tiere zu kühlen, denn die Matte strahlt im Sommer auch Wärme ab. Im Winter hilft die Ventilation dabei, die Einstreuoberfläche abzutrocknen und den Dampf aus dem Stall zu blasen», so Baumgartner.
Die Matte werde vom dortigen Betriebsleiter so gut gemanagt, dass die Temperatur bisher nie unter 30 Grad gefallen sei. Das sei aber nicht bei allen Betrieben der Fall. Doch warum ist es so herausfordernd, die Temperatur der Matte hoch genug zu halten?
«Gerade im Winter wird oft zu wenig und zu spät eingestreut. Wird die Einstreu ein bisschen zu nass, kann man auch mit der besten Bearbeitung nicht mehr genug Sauerstoff einbringen, sodass die Kompostierungsprozesse funktionieren», erklärt der Experte. Täglich müsse die Matte zweimal auf etwa 20 Zentimeter Tiefe mit einer Fräse oder einer Federzahnegge bearbeitet werden. Zudem müsse einmal pro Woche oder alle 10 Tage mit dem Grubber ganz nach unten bearbeitet werden. Würde man allerdings täglich grubbern, ginge zu viel Temperatur verloren, welche die Funktionsgrundlage dieses Stallsystems ist.
Auch Waldboden ist für Tierwohl und Tiergesundheit attraktiv
Im Zuge alternativer Stallsysteme ist in der Branche auch der sogenannte «Waldboden» bekannt. Im Unterschied zum Kompostierungsstall werden hier als Einstreumaterial nur Hackschnitzel, Rindenmulch und Erdanteile verwendet. Der Kot wird zweimal täglich händisch abgesammelt und verbleibt somit nicht auf der Matte. Ein weiterer Unterschied ist, dass der Waldboden sich nicht erwärmt und die Tiere im Sommer dadurch eine kühlere Oberfläche zum Liegen haben.
Im Vergleich zum Tiefstreu ist das Mistvolumen zudem geringer und der Waldboden ist weich und dabei sehr trittfest. Im Sinne des Tierwohls und der Tiergesundheit punktet der Waldboden ebenfalls in hohem Masse.
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«Kosten und Arbeitsfaktor haben nicht gepasst.»
Christian Wolleb, Landwirt aus Lupfig AG
Christian Wolleb, der mit seiner Familie den Windrosenhof im aargauischen Lupfig bewirtschaftet, hat den Waldboden als Einstreu für seine Rinder getestet. «Ich hatte seit 2001 einen Tiefstreulaufstall mit Stroh. 2021 habe ich im Zuge eines Versuchs der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) auf Waldboden umgestellt. Obwohl es viele Vorteile gibt, überwogen für mich die Nachteile dieses Systems – der hohe Kostenfaktor und der hohe Arbeitsaufwand haben nicht gepasst», erzählt der Landwirt, der in den Folgejahren nach und nach dazu übergegangen ist, den Stall im Sommer mit Sägespänen und im Winter zusätzlich mit Stroh einzustreuen.
Diese Art des Einstreu-Managements sei arbeitsextensiver und kostengünstiger. Die Sägespäne, zu denen Christian Wolleb nun übergegangen ist, enthalten kein Kompostmaterial. «Kot und Urin lasse ich komplett auf der Fläche, so habe ich zunächst mal gar keine Arbeit damit. Die Tiere verteilen den Kot und Urin durch ihre Bewegung von allein», berichtet Wolleb.
Gegen Ende der Sommersaison streut er wöchentlich Sägemehl nach und bearbeitet die Fläche zwei Wochen lang täglich mit dem Grubber. Aber dieses System sei für Wolleb auch nur im Sommerhalbjahr interessant, weil die meisten Tiere draussen auf der Weide und nur wenige auf der Fläche sind. Dadurch ist die Belastung des Einstreumaterials geringer. Im Winterhalbjahr sind etwa 30 Prozent mehr Tiere auf der Einstreufläche –dann streut Christian Wolleb wieder mit Stroh ein.
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Haltungssysteme in direktem Vergleich
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Betriebsspiegel Windrosenhof
Christian Wolleb, Lupfig AG
LN: 40 ha, 7,5 ha Wald
Kulturen: Brotweizen, Dinkel, Gerste, Zuckerrüben, Silomais
Tierbestand: 20 Mutterkühe, 1 Simmentaler-Muni, 11 Pferde
Weitere Betriebszweige: Geflügelmaststall (3500 Tiere), derzeit vermietet
Arbeitskräfte: Christian Wolleb und Ruth Aerni Wolleb
www.windrosenhof.ch