Kurz & bündig

- Die richtige Vorbereitung erleichtert das Verladen beträchtlich.
- Treibwege aus den Augen des Tieres betrachten.
- Keine unbekannten Gegenstände, keine Lichtreflexionen
- Den Tieren viel Zeit lassen, ihre Augen an neue Lichtverhältnisse anzupassen.
- Hektik ist Gift beim Verladen.
- Nicht alle Tiere sind transportfähig.

Das Verladen kommt im Leben der Tiere meistens nicht oft vor. Ob das Verladen gut oder schlecht geht, sollte man nicht einfach dem Zufall überlassen, denn negative Erlebnisse können sich bei Menschen und Tieren einprägen. Michael Hagnauer ist einer von acht KontrolleurInnen, die beim Kontrolldienst des Schweizer Tierschutz STS Tiertransporte begleiten. Er hat viele Erfahrungen sammeln können und weiss, worauf es beim tierschonenden Verladen ankommt.

Die Verlade-Situation sollte nicht völlig neu sein

«Wie sind die Tiere an eine solche Situation gewöhnt?», ist eine der ersten Fragen, die man sich beim Verladen stellen muss. Für Tiere, die den Auslauf oder den Gang auf die Weide gewohnt sind, ist das Verlassen des Stalles nichts Ungewohntes. Sie haben gelernt, mit einer neuen Umgebung und neuen Reizen umzugehen.

Solche Tiere sind meistens auch an den Menschen, insbesondere an den Landwirt, gewöhnt. Je häufiger dieser von sich aus zu den Tieren geht und mit ihnen Kontakt aufnimmt, desto besser kennen sie ihn. Es kann sich ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Mutterkuhkälber, die kaum mit dem Menschen in Kontakt kommen, sind beim Verladen unruhiger als Tränkekälber, die von Hand getränkt werden. Wer sich mit seinen Tieren abgibt, dessen Stimme und Geruch kennen die Tiere. Er oder sie wird es beim Verladen einfacher haben.

«Reflexionen stören und erschrecken die Tiere»

Die Treibwege haben einen grossen Einfluss auf das Verhalten der Rinder. Sie sollten möglichst gerade, rutschfest und frei von Schwellen und Hindernissen sein. Manchmal stellen Gegenstände Barrieren für die Tiere dar, die dem Landwirt gar nicht auffallen: Zum Beispiel ein auf dem Boden liegender Schlauch sieht für das Tier wie eine Schlange aus.

Rampen sollten beim Betreten nicht nachgeben, Wände dürfen nicht lose sein oder vibrieren. «Reflexionen stören», betont Kontrolleur Hagnauer. Blanke Wände und Böden aus Chromstahl sind für die Tiere nicht nur ungewohnt. Sie können die Tiere wegen der Lichtreflexionen erschrecken oder irritieren. Auch Wasserpfützen können Licht reflektieren. Umgekehrt können Rinder auch vor Schattenwürfen zurückschrecken.

[IMG 2]

Rutschfeste Treibwege, mit Stroh einstreuen

Eine Gummimatte auf dem Boden verhindert nicht nur Lichtreflexionen, sondern gibt den Tieren einen festen Halt. Rinder brauchen viel Zeit, um ihre Augen an veränderte Lichtverhältnisse anzupassen. Es kann mehrere Minuten dauern, zehn Mal länger als beim Menschen. Ohne diese Anpassung sieht das Rind nur ein schwarzes Loch oder wird vom Licht geblendet. Die Lichtverhältnisse sollten nicht ganz anders sein als im Stall. Ein starker Scheinwerfer vor dem Transporter mag für den Menschen eine Hilfe sein, aber er blendet die Rinder. Kein Wunder, wenn sie keinen Schritt mehr machen.

Rinder orientieren sich auch am Geruch. Der Geruch des Transporters ist ungewohnt für sie. Sie benötigen Zeit, um den neuen Geruch aufzunehmen und sich davon zu überzeugen, dass er keine Gefahr für sie bedeutet. Um einen vertrauten Geruch in den Transporter zu bringen, empfiehlt der erfahrene Tiertransport-Kontrolleur, Stroh aus dem heimatlichen Stall einzustreuen.

Metalltüren, die auf Metall schlagen, machen ein für die Tiere ungewohntes, lautes Geräusch, das sie nicht lokalisieren können. Solche Metallteile sollten mit Gummi gedämpft werden. Die Seitenwände müssen stabil und so befestigt sein, dass keine Spalten in den Wänden oder im Boden entstehen, in welche sich die Tiere ihren Kopf oder ihre Beine einklemmen können. Die Seitenwände sollten für Rindvieh mindestens 100 cm hoch sein.

[IMG 3]

[IMG 4]

Verladen von Tieren

Die Tierschutzverordnung regelt die übergeordneten Vorschriften des Tierschutzgesetzes für den Vollzug. Dieser obliegt, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht, den Kantonen. Die Tierschutzverordnung schreibt unter anderem folgendes vor, was den Verlad von Tieren betrifft:

Artikel 16 Abs. 2, Bst b: Verbotene Handlungen: «Namentlich sind verboten: das Schlagen von Tieren auf Augen oder Geschlechtsteile und das Brechen oder Quetschen des Schwanzes.»

Art. 155 Abs. 2: …Verletzte und kranke Tiere dürfen nur zwecks Behandlung oder Schlachtung so weit als nötig, unter besonderen Vorsichtsmassnahmen transportiert werden.

Wer direkt vor dem Tier steht, ist eine Bedrohung

Ein weiterer Faktor für das Verhalten der Rinder sind die Menschen, die beim Verladen dabei sind: Der Landwirt, der Chauffeur, Helfer oder Zuschauer. «Nicht vor die Tiere stehen» ist ein einfacher Rat, der aber oft vergessen geht. Wer direkt vor den Tieren steht, wird als Bedrohung wahrgenommen.

Rinder haben einen weiten Blickwinkel, aber im hinteren Bereich gibt es einen toten Sehwinkel. Man sollte das Rind deshalb nie von ganz hinten, sondern immer von der Seite treiben. Dort sieht einen das Tier und erschrickt nicht. Menschen, welche die Tiere nicht kennen, sollten sich lieber nicht im Sichtbereich der Tiere aufhalten.

Wenn es doch der Fall ist, sollten sie die Tiere nicht wie ein Beutejäger mit den Augen fixieren. «Lieber den Kopf abdrehen», rät Hagnauer. Treibgänge, die bis über die Augenhöhe der Tiere geschlossen sind, schützen die Tiere vor irritierenden Aussenreizen.

«Hektik ist Gift beim Verladen, Zeit und Ruhe helfen»

Das A und O beim Verladen ist, den Tieren Zeit zu lassen und selbst Ruhe zu bewahren, hält Hagnauer fest. Die Tiere brauchen Zeit, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen und die neue Umgebung zu erkunden. Dem Menschen geht es oft nicht schnell genug. «Die Minuten kommen einem länger vor», macht der Kontrolleur die Erfahrung. Denn oft steht der Chauffeur unter Zeitdruck. Doch es lohnt sich, Ruhe zu bewahren. «Hektik ist Gift beim Verladen». Schreien und Fuchteln mit den Armen macht die Tiere nervös; sie tun erst recht nicht, was man von ihnen möchte.

Um ihnen genügend Zeit zu geben, sollte der Landwirt parat sein, wenn der Transporteur auf den Hof kommt. Es darf keine Zeit beim Einrichten der Treibwege und Verladeeinrichtungen verloren gehen.

Auch wenn alles gut vorbereitet ist, kann das Verladen trotzdem länger dauern als vorgesehen. Denn das Verhalten der Tiere, aber auch der am Transport beteiligten Menschen lässt sich nicht immer voraussagen. Bei einer Verzögerung sollte der Schlachthof flexibel bei der Annahme reagieren und nicht den Chauffeur zum «Sündenbock» machen. Denn es ist wichtiger, Tiere gut zu verladen und zu transportieren, als pünktlich vor dem Schlachthof zu stehen.

[IMG 5]

Die Tiere sollten einander vor dem Transport kennen

Es gibt Tiere, die sich nur sehr schwer verladen lassen. Der Grund ist meistens, dass sie Angst haben und zu wenig mit der neuen Situation vertraut sind. Michael Hagnauer sagt, dass es oft auch daran liege, dass die Tiere erst kurz vor dem Verladen in Gruppen zusammengestellt werden und sich gegenseitig nicht kennen.

Es ist verständlich, dass nicht jedes Tier zu jedem in den Lastwagen will. Manchmal hilft es, ein anderes Rind zuerst zu verladen. Es kann als «Lockvogel» wirken. Noch besser wäre es aus der Sicht Hagnauers, die Transportgruppe schon einige Tage vorher auf dem Hof zusammenstellen, damit sich die Tiere vor dem Transport kennenlernen. Dies ist nicht auf jedem Betrieb möglich, aber eine solche Transport- oder Reservebucht ist von grossem Vorteil.

Auf jeden Fall sollte man fremde Tiere, die erst beim nächsten Landwirt eingeladen werden, von den schon geladenen Tieren mittels Absperrgittern abtrennen. Absperrgitter sind auch eine grosse Hilfe, um den Tieren Halt zu geben, wenn der Fahrer bremst und zu viel Platz vorhanden ist. Sie sollten unbedingt eingesetzt werden.

[IMG 6]

Den Mut haben und sagen: «Nein, den nehme ich nicht mit»

«Mit genügend Zeit geht jedes Tier», ist Kontrolleur Hagnauer überzeugt. Das Schieben einer festen Treibwand hinter dem Tier, um diesem den Rückweg zu versperren, könne eine Hilfe sein. Hat man diese Zeit allerdings nicht, dann empfiehlt Hagnauer, das Tier nicht zu verladen und auf dem Hof zu lassen. «Nein, den nehme ich nicht mit»: Ein Tiertransporteur sollte den Mut haben, dies zu sagen.

Anstatt Gewalt anzuwenden, solle man lieber mit dem Tier üben, es mit dem Menschen und der Umgebung vertraut machen. Dann funktioniere das Verladen das nächste Mal sicher. Nicht akzeptabel sind aus Sicht des Tierschutzes sämtliche Manipulationen am Schwanz der Tiere, insbesondere das Drehen des Schwanzes, Stockschläge auf Becken und Rücken sowie der Einsatz elektrischer Treibhilfen.

Es gibt auch Tiere, die nicht transportfähig sind, weil sie krank oder verletzt sind. «Es muss selbständig in den Transporter gehen können», gibt Hagnauer als Voraussetzung für die Transportfähigkeit an. Tiere, die hinken oder unsicher auf den Beinen sind, sollte man mit Hilfe der Absperrgitter separat von den anderen halten und den Boden mit viel Stroh einstreuen. Die Transportdauer darf gemäss Tierschutzverordnung bei allen Tieren nicht länger als acht Stunden betragen. Hierbei sind Fahrzeit und Standzeit eingeschlossen.

 

Unabhängige Transportkontrollen des Schweizer Tierschutz STS

Der Schweizer Tierschutz STS kontrolliert auf privatrechtlicher Basis die Einhaltung der Tierhaltungs-Vorschriften und die Transport-Richtlinien folgender Labels: Bio Suisse, IP-Suisse, Migros Weide-Beef / Bio-Weide-Beef, Mutterkuh Schweiz, KAGfreiland, Lidl Terra Natura.

Kontrolliert werden sowohl gesetzliche Vorschriften als auch privatrechtliche Vereinbarungen mit den Label-Gebern.

Der STS ist in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Viehhändlerverband SVV auch an der Ausbildung der Fahrerinnen und Fahrer der Transportunternehmen beteiligt. Diese müssen sich gemäss Tierschutzverordnung an mindestens einem Tag innerhalb von drei Jahren fortbilden. Anleitungen zum Tiertransport gibt das STS-Merkblatt: «Vom Stall in den Lastwagen»

Transport-Richtlinien und Merkblatt finden Sie hier.