Die Landwirtschaft steht im Zentrum bei der Klimastrategie. Sie emittiert einerseits Treibhausgase (THG) durch die Tierhaltung oder den Futter- und Ackerbau, anderseits hat die Landwirtschaft über die Produktion von Biomasse die Möglichkeit, biogenes CO2 bereitzustellen. Dieses kann in der Chemieindustrie als Rohstoff zur Produktion von Kunststoffen oder synthetischen Treibstoffen verwendet werden.

Null Emissionen ab dem Jahr 2050

Die Landwirtschaft wird nicht darum herumkommen, die Klimastrategie des Bundes ebenfalls umzusetzen. Dabei soll die Umwelt bis 2050 nicht mehr weiter mit THG-Emissionen belastet werden. Im Vordergrund stehen in der Landwirtschaft die Methan- (CH4) und Lachgas- (N2O) Emissionen aus der Tier- und Pflanzenproduktion, während in anderen Sektoren vor allem die fossilen CO2-Emissionen verhindert werden müssen.

Bei den Berechnungen werden die Gase entsprechend ihrem Treibhausgaspotenzial bewertet und in CO2-Equivalenten (CO2eq) angegeben:

  • 1 t CH4 entspricht 28 t CO2eq
  • 1 t N2O entspricht 298 t CO2eq

Zur Erreichung des Klimaziels sieht die Schweizerische Eidgenossenschaft für den Verkehr und die Wärmeproduktion elektrische Lösungen, gespeist mit erneuerbarem Strom. Die schweren Maschinen in der Landwirtschaft oder die Langstreckenflugzeuge in der Luftfahrt, die nicht elektrifiziert werden können, werden mit alternativen Treibstoffen betrieben werden. Hierfür werden neben Biotreibstoffen grösstenteils synthetische «Drop-in»-Treibstoffe verwendet werden müssen. Das sind Treibstoffe, welche die gleichen Eigenschaften und eine ähnliche Zusammensetzung wie ihre fossilen Pendants haben, aber aus erneuerbarem CO2 und grünem Wasserstoff (H2) hergestellt werden. Alle verbleibenden THG-Emissionen aus Prozessen, die bis 2050 nicht klimaneutral betrieben werden können, müssen kompensiert werden. [IMG 3]

Landwirtschaft liefert Rohstoff für die Industrie

Michael Studer ist Dozent für Agrar-, Forst- und Energietechnik an der HAFL in Zollikofen. In seinem Bereich wurden vor Kurzem neue Labors in Betrieb genommen, in welchen unter anderem die Nutzung von Biomasse und erneuerbarem CO2 sowohl zur Verhinderung von THG-Emissionen in der Landwirtschaft als auch als Rohstoff für die Chemieindustrie erforscht werden (siehe Kasten). Michael Studer sieht darin eine grosse Chance für die Landwirtschaft, zusätzliche Wertschöpfung zu generieren und ihre eigenen THG-Emissionen zu senken. Das heisst, obschon die Landwirtschaft einerseits eine grosse THG-Emittentin ist, bietet sich der Landwirtschaft die Chance, ihre eigenen, nicht verhinderbaren Emissionen selbst zu kompensieren und eine Senkenleistung für andere Bereiche der Gesellschaft bereitzustellen und zu verkaufen.

Dazu soll zum Beispiel Hofdünger zu Biogas umgewandelt und daraus CO2 abgefangen werden, welches in technischen Prozessen zu biogenen Kunststoffen oder zu synthetischen Treibstoffen verarbeitet wird. Das CO2 dient somit als erneuerbare Kohlenstoffquelle für die Industrie. Alternativ kann das CO2 auch tief unter der Erdoberfläche in Gesteinsschichten eingelagert und somit aus der Atmosphäre entfernt werden.

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Michael Studer ist überzeugt, dass die Landwirtschaft eine aktive Rolle beim Erreichen der Klimaziele der Schweiz spielen kann. Es sei wichtig, dass man sich in der Landwirtschaft nicht an den Pranger gestellt fühle, sondern mit technischen Lösungen proaktiv bei der Klimaverbesserung eine zentrale Rolle einnehme (siehe Interview).

Biomasse-Labore an der HAFL
Wie im Haupttext beschrieben, kann mit Biomasse nebst Energie auch eine erneuerbare Kohlenstoffquelle für organische Chemikalien, Plastik und synthetische Treibstoffe erschlossen werden. In neuen Labors an der HAFL in Zollikofen wird an Umwandlungsverfahren geforscht, die es möglich machen, in diesem Bereich auf nicht fossile Rohstoffe umzu-steigen. Die Chemieindustrie verfolgt diese Entwicklungen intensiv, da sie auf Kohlenstoff angewiesen ist. Neben CO₂ und recyceltem Kunststoff ist Biomasse die einzige erneuerbare Kohlenstoffquelle.