Kurz & bündig
- Durch die ammengebundene Kälberaufzucht sind die Kälber auf dem Biobetrieb Meier generell gesünder und leiden weniger unter Durchfall.
- Beim Stall waren nur kleine Anpassungen nötig, um das Konzept umzusetzen.
- Die Milchaufnahme ist schwieriger zu kontrollieren, weshalb die Tageszunahmen regelmässig überprüft werden sollten.
Bessere Tiergesundheit, tieferer Arbeitsaufwand, weniger Stress für die Tiere und das Ermöglichen eines artgemässen Verhaltens gehören zu den Vorteilen, die für die kuhgebundene Kälberaufzucht sprechen.
Alternative Systeme wie die mutter- oder ammengebundene Kälberaufzucht werden in der Praxis vermehrt angewendet. So wie auf dem Biohof Meier in Noflen BE, auf dem die Kälber seit rund zwei Jahren ammengebunden aufgezogen werden.
Standortangepasste Milchproduktion als Ziel
Jürg und Lucrezia Meier produzieren auf ihrem Betrieb silofreie Milch, die direkt an die Dorfkäserei Noflen abgeliefert wird. Die Fütterungsgrundlage der Milchkühe besteht aus eigenem Grundfutter (Heu, Emd und Gras). Ergänzend erhalten die Kühe je nach Jahreszeit eigene Luzerne- und Sojawürfel sowie Maiskolbenschrotpellets, Ganzpflanzenmais und Ganzpflanzenmaispellets.
Die durchschnittliche Laktationsleistung liegt bei gut 7000 kg Milch pro Kuh. Vor der Umstellung zum biologischen Anbau im Jahr 2013 wurden auf dem Betrieb Milchkühe der Rasse Red Holstein gehalten, seither wurde dann Schweizer Fleckvieh eingekreuzt.
Die Aufzuchtkälber werden im Alter von sechs Monaten auf dem Betrieb abgetränkt und anschliessend extern auf einem umliegenden Betrieb aufgezogen. Jährlich werden vier bis fünf Mastremonten auf dem Betrieb abgetränkt und anschliessend mit ca. 200 kg zur Ausmast verkauft.
System individuell auf den Betrieb angepasst
Mit der ammengebundenen Kälberaufzucht hat sich Lucrezia Meier in ihrem 3. Lehrjahr als Landwirtin (2018/19)erstmals näher befasst. «Das System hat mich sehr angesprochen. Ich habe gleich angefangen zu überlegen, wie man das bei uns auf dem Betrieb umsetzen könnte», erzählt Meier.
So wurden bereits kurz darauf die ersten fünf Kälber ammengebunden aufgezogen. Dabei wurden die Ammenkühe und die Kälber den ganzen Tag zusammen gehalten. Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit für das Agronomiestudium hat sich Lucrezia Meier dann noch stärker mit dem Thema befasst. So konnte sie sich noch mehr Wissen aneignen, um das System individuell auf ihren Betrieb anzupassen.
Heute findet der Kuh-Kalb-Kontakt morgens und abends während des Melkens in einem Zeitraum von jeweils einer Stunde statt. Die Ammenkühe werden dabei in einen der beiden Kälberställe geführt, welche sich ein wenig ausserhalb des Milchviehstalls befinden. «Das funktioniert sehr gut, da die Kühe das schnell lernen und meistens schon am Tor warten, damit sie zu den Kälbern gehen können», beobachtet Meier. Je nachdem, wie viele Ammen gerade im Einsatz sind, werden bis zu drei Ammenkühe zusammen in einem Stall untergebracht.
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Verteilung der Kälber auf die Ammen
Nach der Geburt bleiben die Kälber zuerst während einer Woche bei der eigenen Mutter, bevor sie bei der Ammenkuh trinken. Grundsätzlich sei es kein Problem, die Kälber an die Amme zu gewöhnen. «Sobald das Kalb Durst hat und die Kuh das Saugen duldet, trinkt das Kalb in der Regel. Es ist ihm grundsätzlich egal, welche Kuh dort ist», berichtet Lucrezia Meier aus Erfahrung.
Eine Amme kümmert sich in der Regel um zwei bis drei Kälber. Sie ist nicht automatisch die Mutter eines Kalbes. Als Ammenkühe werden Kühe mit Zellzahlproblemen oder schlechter Melkbarkeit und Altmelkkühe eingesetzt. «Auch Ausmelkkühe setzen wir häufig als Ammen ein, bevor sie geschlachtet werden», ergänzt Meier.
Da die Mastkälber als Tränker verkauft werden, werden je nach Situation unterschiedlich viele Ammen eingesetzt. «Die Tränker bleiben zwischen drei und fünf Wochen bei uns auf dem Betrieb. Durch den unregelmässigen Wechsel der Kälber variiert auch die benötigte Milchmenge», erklärt Meier. Zudem erfolgen die Wechsel der Kälber, die an einer Amme trinken, auch schneller.
Die Tränker selber auszumästen, ist für Meiers aktuell keine Option. «Da wir die Milch zu einem guten Preis abliefern können, lohnt es sich für uns momentan nicht, die Kälber selber auszumästen», so Meier. Dazu kommt der fehlende Platzbedarf, um alle Kälber auf dem Betrieb abzutränken. Eine Wunschvorstellung wäre es, die Tränkekälber auf einen anderen Betrieb mit Ammen weiterzugeben, auf dem diese dann abgetränkt werden.
Bestehende Ställe konnten weitergenutzt werden
Um die ammengebundene Kälberaufzucht auf dem Betrieb zu integrieren, musste nur wenig am Stall verändert werden. Bei den bereits bestehenden Stallungen wurden lediglich kleinere Anpassungen an den Fressgittern vorgenommen, damit diese für Kuh und Kalb konform sind.
Das war auch einer der Hauptgründe, weshalb sich Meiers nicht für ein anderes kuhgebundenes System wie die muttergebundene Aufzucht entschieden haben. «Bei der muttergebundenen Kälberaufzucht wären grössere Anpassungen, wie zum Beispiel ein Kälberschlupf, nötig gewesen», sagt Lucrezia Meier. Meiers konnten die ammengebundene Kälberaufzucht integrieren, ohne extra den Stall umbauen zu müssen.
Bessere Kälbergesundheit und weniger Arbeitsaufwand
Ein zentraler Faktor, der sich verbessert hat, seit Meiers ihre Kälber ammengebunden aufziehen, ist die Kälbergesundheit. «Die Kälber sind allgemein gesünder und leiden weniger unter Durchfall», so Lucrezia Meier. Auch das Fremdsaugen sei kein Problem mehr, seit die Kälber ammengebunden aufgezogen werden.
Weiter habe sich der Arbeitsaufwand verringert, weil das Tränken der Kälber wegfällt. Das Separieren der Milch für die Kälber, das Schleppen und Vertränken der Milch sowie das Abwaschen der Tränkeeimer sind nun Arbeiten, die wegfallen. «Wenn sich das System gut eingespielt hat, dann spart man schon Zeit», schlussfolgert Meier.
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Kontrolle der Milchaufnahme ist eine Herausforderung
Ein wichtiger Punkt, auf den man bei der ammengebundenen Aufzucht ein besonderes Augenmerk legen sollte, ist die Kontrolle über die aufgenommene Milchmenge. Die Milchmenge kann nicht genau gesteuert werden wie zum Beispiel mit der Eimertränke.
Um die Tageszunahmen zu überprüfen, werden die Kälber auf dem Biohof Meier jede Woche gewogen. Dabei ist es laut Lucrezia Meier wichtig, zu beachten, dass die Kälber jeweils möglichst zum gleichen Tageszeitpunkt gewogen werden. Auf dem Betrieb werden so durchschnittliche Tageszunahmen von 1 kg erreicht.
Auch auf das Abtränken sollte ein besonderes Augenmerk gelegt werden. «Während des Abtränkens achten wir zum Beispiel darauf, dass die kleineren Kälber zuerst trinken und die anderen anschliessend noch das Euter leeren. Wir können die Milchmenge nicht schrittweise auf drei, zwei, einen Liter runterfahren. Das Abtränken erfordert vergleichsweise mehr Aufmerksamkeit», verdeutlicht Lucrezia Meier.
Generell erfordert das ganze System eine gute Tierbeobachtung, insbesondere, bis sich das System auf dem Betrieb etabliert hat und entsprechend Erfahrungen damit gesammelt werden konnten.
Betriebsspiegel Biohof Meier
Jürg und Lucrezia Meier, Noflen BE
LN: 28 ha
Kulturen: Kunstwiese, Naturwiese, Mais, Winterhafer, Futtersoja
Tierbestand: 31 Milchkühe und Kälber bis 6 Monate, 50 Zuchtsauen mit Eigenremontierung
Weitere Betriebszweige: Stromproduktion mit PV-Anlage
Arbeitskräfte: Jürg und Lucrezia Meier, Martin Meier (Vater von Jürg), ein Angestellter, zwei Lernende
